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Streit um Lohn­fort­zahlung wäh­rend Kur­aufent­halt

13.06.2016

Das Bundesarbeitsgericht entschied darüber, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber während einer Kur eines Beschäftigten zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist.

(verpd) Gesetzlich Krankenversicherte haben während einer ambulanten Vorsorgekur gegen ihren Arbeitgeber ausschließlich dann einen Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn die von einem Sozialleistungsträger bewilligte Maßnahme in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation durchgeführt wird. Auch darf sie keinen urlaubsmäßigen Zuschnitt haben. Das hat das Bundesarbeitsgericht in einem kürzlich getroffenen Urteil entschieden (Az.: 5 AZR 298/15).

Eine Arbeitnehmerin unterzog sich einer dreiwöchigen Erholungskur. Der von ihrem gesetzlichen Krankenversicherer bezuschusste Kuraufenthalt fand in einem Kur- und Wellnesscenter einer ostfriesischen Insel statt.

Dort erhielt die Frau diverse Anwendungen, zu denen Meerwasserwarmbäder, Bewegungsbäder, Massagen, Schlickpackungen und Lymphdrainagen gehörten. Sie sollte außerdem täglich in der Brandungszone des Strandes inhalieren.

Niederlage in allen Instanzen

Den im Vorfeld der Kur gestellten Antrag der Frau, ihr während des Kuraufenthalts ihren Lohn fortzuzahlen, lehnte ihr Arbeitgeber ab. Die Arbeitnehmerin beantragte daher für die Zeit des Aufenthalts auf der Insel Urlaub, der ihr auch bewilligt wurde. Nach der Rückkehr von der Kur machte die Frau gegenüber ihrem Arbeitgeber plötzlich geltend, dass der ihr bewilligte Urlaub nicht auf ihren Jahresurlaub angerechnet werden dürfe. Dies lehnte der Arbeitgeber ebenfalls ab. Die Frau zog dagegen vor Gericht. Dort erlitt sie in sämtlichen Instanzen eine Niederlage.

Besteht wie im Fall der Klägerin keine Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, dürfen Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation gemäß Paragraf 10 BUrlG (Bundesurlaubsgesetz) nicht auf den Urlaub angerechnet werden. Dies gilt, solange ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach den gesetzlichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht, so das Bundesarbeitsgericht.

Ein derartiger Anspruch setze bei gesetzlich Versicherten jedoch voraus, dass eine vom Sozialversicherungs- oder von einem sonstigen Sozialleistungsträger bewilligte ambulante Vorsorgekur in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation im Sinne von Paragraf 107 Absatz 2 SGB V (Fünftes Sozialgesetzbuch) durchgeführt wird.

Voraussetzung an die Unterbringung

Das ergibt sich nach Meinung des Bundesarbeitsgerichts aus Paragraf 9 Absatz 1 Satz 1 EntgFG (Entgeltfortzahlungs-Gesetz). Hier heißt es: „Die Vorschriften der Paragrafen 3 bis 4a und 6 bis 8 gelten entsprechend für die Arbeitsverhinderung infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation, die ein Träger der gesetzlichen Renten-, Kranken- oder Unfallversicherung, eine Verwaltungsbehörde der Kriegsopferversorgung oder ein sonstiger Sozialleistungsträger bewilligt hat und die in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation durchgeführt wird.“

Da die von der Klägerin genutzte Einrichtung nicht den im Sozialgesetzbuch genannten Anforderungen entsprach, wurde ihre Klage als unbegründet zurückgewiesen. Ob ein nicht gesetzlich krankenversicherter Beschäftigter bei einem Kuraufenthalt einen Anspruch auf Lohnfortzahlung hat, ergibt sich ebenfalls aus Paragraf 9 EntgFG.

Denn in dem Paragrafen heißt es: „Ist der Arbeitnehmer nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse oder nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, gelten die Paragrafen 3 bis 4a und 6 bis 8 entsprechend, wenn eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation ärztlich verordnet worden ist und in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation oder einer vergleichbaren Einrichtung durchgeführt wird.“ Folglich gibt es diesbezüglich eine Gleichbehandlung von gesetzlich und privat Krankenversicherten.

Erholungskur, medizinisch notwendige Kur oder Rehabilitation

Übrigens: Reine Erholungskuren, die lediglich der Verbesserung des Allgemeinbefindens beziehungsweise der Vorbeugung gegen allgemeine Verschleißerscheinungen dienen, lösen nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen aus dem Jahr 2015 keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung aus. Doch grundsätzlich gilt, dass Arbeitnehmer auch bei einer notwendigen Kur oder Rehabilitation Anspruch auf eine Lohnfortzahlung haben.

In der Broschüre „Entgeltfortzahlung“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ist diesbezüglich zu lesen: „Arbeitnehmer haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung bis zur Dauer von sechs Wochen, die sie in einer Rehabilitations- beziehungsweise Vorsorgeklinik verbringen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Aufenthalte medizinisch notwendig sind und von einem Träger der Sozialversicherung oder einem sonstigen Sozialleistungsträger bewilligt werden.“

Des Weiteren wird ausgeführt: „Ist der Arbeitnehmer nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse oder nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Vorliegen einer ärztlichen Verordnung und stationärer Durchführung.“

So können Arbeitnehmer ihr Recht ohne Kostenrisiko einfordern

Streitigkeiten wegen abgelehnter Lohnfortzahlungen gibt es immer wieder. Wer jedoch vor einem Arbeitsgericht sein Recht einklagt, muss unabhängig vom Ausgang des Prozesses in der ersten Instanz seine jeweiligen Anwaltskosten selbst tragen.

Das bedeutet, egal ob man gewinnt oder verliert, dass ein Kostenrisiko bleibt. Dennoch muss man trotz dieses Kostenrisikos als Arbeitnehmer nicht alles klaglos hinnehmen.

Eine bestehende Privat- und Berufsrechtsschutz-Versicherung übernimmt nämlich im Versicherungsfall für derartige, aber auch für zahlreiche andere Streitigkeiten die Prozess- und damit auch die Anwaltskosten, wenn der Versicherer vorab eine Leistungszusage erteilt hat. Die Prozesskosten werden übrigens auch vom Rechtsschutzversicherer bezahlt, wenn der Arbeitnehmer den Prozess verliert.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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