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Finanz­test: Fast je­der zwei­te BU-Ta­rif ist „sehr gut“

21.06.2017

Die letzten beiden Tests von Berufsunfähigkeits- (BU-) Policen wurden in der Fachöffentlichkeit regelrecht zerrissen. Jetzt hat Finanztest sich an eine Neuauflage gewagt. Der Versicherungsmakler Matthias Helberg hat sich den Test auch in diesem Jahr analysiert – wie sein Fazit ausfällt.

31 von 74 getesteten Berufsunfähigkeits-Versicherungen bekommen in der aktuellen Ausgabe 7/2017 der Zeitschrift Finanztest mit „sehr gut“ das bestmögliche Qualitätsurteil. Der Versicherungsmakler Matthias Helberg sieht in der neuen Untersuchung zwar eine „Qualitätsverbesserung“, findet aber auch zahlreiche Kritikpunkte.

Die Zeitschrift Finanztest hat in ihrer aktuellen Ausgabe 7/2017 Berufsunfähigkeits- (BU-) Tarife unter die Lupe genommen. Dazu wurden alle in Deutschland niedergelassenen Versicherer gebeten, die Bedingungen zu sämtlichen BU-Tarifvarianten sowie ihr preiswertestes Angebot für drei Modellkunden zu liefern.

Die meisten Anbieter haben nur Unterlagen zu ihren besten Varianten übersandt, heben die Tester hervor. Darunter seien selbstständige (SBU) wie auch Zusatz-Versicherungen (BUZ) zu einer Risikolebens-Versicherung.

Allerdings hat eine ganze Reihe von Anbietern keine Daten geliefert. Ohne Begründung nicht teilgenommen an der Untersuchung haben den Angaben zufolge

Höchstbewertung für fast jeden zweiten untersuchten Tarif

Insgesamt hat die Verbraucherzeitschrift in ihrer neuesten Ausgabe 74 BU-Angebote getestet. Gut 40 Prozent der Angebote wurden mit einem „sehr guten“ Qualitätsurteil bewertet, knapp die Hälfte ein „gut“. Jedes zehnte Produkt erhielt ein „befriedigend“ und einmal wurde das Qualitätsurteil „ausreichend“ vergeben.

Bild: Wichert

Mit 0,9 die beste Gesamtnote erzielte die Europa Lebensversicherung AG („SBU E-BU“ (01.17)), gefolgt von der Hannoverschen Lebensversicherung AG („SBU 17 B1“ (04.17)) mit 1,0 sowie der Alten Leipziger Lebensversicherung a.G. („SBU BV 10 BV 11“ (06.17)).

Mit jeweils der Note 1,2 gab es für die Provinzial Nordwest Lebensversicherung AG („Buz Top“ (01.17)), die R+V Lebensversicherung AG („SBU BV04“ (01.17)) sowie die R+V Lebensversicherung a.G. („BUZ B/BR D119“ (01.17)) ebenfalls ein „sehr gutes“ Qualitätsurteil.

Alle diese Tarife hatten auch im aktuellen Rating BU-Rating des Analysehauses Morgen & Morgen GmbH die Höchstnote „fünf Sterne“ erhalten.

So wurde bewertet

Bewertungskriterien waren zu 25 Prozent die Qualität der Antragsformulare sowie zu 75 Prozent die Versicherungs-Bedingungen. Bei letzteren hat Finanztest die folgenden Tarifmerkmale (in „unterschiedlicher“, allerdings nicht aufgeschlüsselter Gewichtung) herangezogen:

  • Verzicht auf abstrakte Verweisung,
  • Sechs-Monats-Prognose,
  • rückwirkende Leistung in den ersten sechs Monaten,
  • rückwirkende Leistung für mindestens drei Jahre,
  • Nachversicherungs-Garantie,
  • garantierte Dynamik im Leistungsfall,
  • Stundungsrecht,
  • befristete Anerkenntnisse,
  • Verzicht auf § 19 Absätze 3 und 4 VVG,
  • weltweite Geltung,
  • Erwerbsminderung,
  • vorübergehende und dauerhafte Unterbrechung der Berufsunfähigkeit,
  • Beitragsfreistellung bei Zahlungsschwierigkeiten
  • Wohnhaft im Ausland sowie
  • Unverzügliche Mitteilung.

Helberg: Qualitätsverbesserung

Nachdem die beiden letzten BU-Tests der Verbraucherzeitschrift auf massive Kritik von BU-Experten – vor allem von dem Versicherungsmakler Matthias Helberg – gestoßen sind, fällt Helbergs Fazit bezüglich der aktuellen Untersuchung deutlich gemäßigter aus.

„Aus meiner Sicht hat es in Finanztest 07/2017 ganz klar eine Qualitätsverbesserung bei den Aussagen zur Berufsunfähigkeits-Versicherung gegeben. Dafür darf man Stiftung Warentest auch einmal loben“, so Helberg in seinem Blog.

Als „bemerkenswert“ hebt der Versicherungsmakler hervor, dass im Zusatztext zum aktuellen BU-Test „die ganz großen Patzer, Fehleinschätzungen und unverantwortlichen Aussagen vergangener Veröffentlichungen nicht wiederholt werden. Als wichtigste Tipps nennt Finanztest nun (endlich):

  • Möglichst früh eine BU abschließen;
  • Laufzeit möglichst bis Endalter 67;
  • Bewertung ist wichtiger als der Preis;
  • Neben der Nachversicherungsgarantie ist auch die Beitragsdynamik für eine wachsende BU-Rente wichtig;
  • Sinn der garantierten Rentenerhöhung (Leistungsdynamik);
  • Sinn eines zweiten BU-Vertrages.“

Intransparenz bei den Kriterien

Er bezeichnet es zudem als „Fortschritt“, dass für den Test mehr Kriterien als früher betrachtet wurden. Warum Finanztest gerade die ausgewählten Kriterien berücksichtigt habe, andere Kriterien gar nicht und welche Gewichtungen es exakt gab, bleibe allerdings leider intransparent.

Zudem bleibe nach wie vor eine Reihe weiterer, möglicherweise entscheidender Bedingungsmerkmale unberücksichtigt. Hier zählt er beispielhaft unter anderem auf:

  • „Verzichtet der Tarif auf eine abstrakte Verweisung auch bei Schülern, Studenten, Azubis und Hausfrauen / -Männern?
  • Gilt der Verzicht auf die abstrakte Verweisung nur in der ersten Prüfung auf Berufsunfähigkeit, oder auch bei den später anschließenden Nachprüfungen? […]
  • Verzichtet der Versicherer auf sein Recht zur Erhöhung der garantierten Beiträge, wenn sich der Leistungsbedarf nach § 163 VVG ändert? […]
  • Gilt der Versicherungsschutz auch dann, wenn die Berufsunfähigkeit durch grob fahrlässige oder vorsätzliche Verkehrsdelikte verursacht wird?
  • Gibt es besondere Klauseln hinsichtlich des Übergangs vom Krankentagegeld Privat Versicherter zur Berufsunfähigkeitsrente?“

Nach Helbergs Einschätzung leidet darunter die Nachvollziehbarkeit der Testergebnisse. Das gelte ebenfalls für die Bewertung der Antragsfragen, von denen man nicht einmal erfahre, welches Antragsformular überhaupt bewertet wurde.

Denn sowohl Auswahl als auch Wertung solcher Kriterien wirkten sich unmittelbar auf das Ranking, also die Reihenfolge in Tests, aus. Selbst kleinere Änderungen (auch im Verborgenen) könnten zu anderen Ergebnissen führen.

Kritik am Finanztest-Wegweiser

Kritik übt Helberg ferner an dem Textkasten „Wegweiser – So kommen Sie zu einem Vertrag“. Dort schicke man Verbraucher mit ein paar Tipps, Zahlen zu drei realitätsfremden Modellkunden und einer wenig transparenten Tabelle allein auf die Suche nach der passenden BU-Versicherung.

So hält die Verbraucherzeitschrift etwa nur bei ernsthaften oder chronischen Erkrankungen eine anonymisierte Risikovoranfrage bei einem Versicherungsmakler oder Versicherungsberater für angebracht.

Dabei könnten sich selbst als normal empfundene Wehwechen negativ auswirken, hält der Versicherungsmakler dem entgegen. Gelegentliche zählten Rückenschmerzen oder Migräne dazu und alles, was auch nur im Entferntesten mit Psyche in Verbindung gebracht werden könne, wie etwa Schmerzen ohne gefundene organische Ursache.

Als problematisch könnten sich ebenfalls harmlos empfundene Freizeitvergnügungen wie Klettern, Tauchen, Eishockey oder Paintball erweisen. Welcher Versicherer damit am wenigsten ein Problem hat, erfahre man eben durch eine solche Risikovoranfrage. „Warum Finanztest Versicherungsmakler und -berater nur für die Inanspruchnahme einer Risikovoranfrage empfiehlt, erfährt man nicht“, so Helberg.

Wenig verantwortungsbewusst

„Meines Erachtens handelt Stiftung Warentest damit wenig verantwortungsbewusst. Zu vielschichtig sind die Versicherungs-Bedingungen, zu rigoros und komplex ist die Risikoprüfung, zu verborgen sind Stolpersteine und Fallen für Kunden und Gelegenheits-BU-Vermittler“, so Helberg.

Fehler beim Versicherungsschutz seien einfach zu existenzbedrohend, als dass man es als Laie beim Abschluss auf eigene Faust oder gut Glück probieren sollte.

Die vollständigen Ausführungen Helbergs können unter diesem Link nachgelesen werden, die komplette Finanztest-Untersuchung ist kostenpflichtig unter diesem Link erhältlich.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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