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Wenn vor­ge­ge­be­ne (Ver­triebs-) Ziele nicht er­reicht wer­den

16.01.2017

Neue Produkte und Services stellen Vermittler und ihre Mitarbeiter auch vor neue Herausforderungen. Häufig wird die damit verbundene Zielsetzung verfehlt. Was falsch läuft, erklärt die Wirtschaftspsychologin Sabine Prohaska

In der heutigen Arbeitswelt stehen die Mitarbeiter immer häufiger vor neuen Aufgaben und Herausforderungen. Bei deren Bewältigung benötigten sie in der Regel die fachliche und mentale Unterstützung ihrer Vorgesetzten. Doch viele Führungskräfte leisten diese nur halbherzig. Nötig wäre eine systematische Hilfestellung, meint die Wirtschaftspsychologin Sabine Prohaska in einem Gastbeitrag.

Ein Beispiel aus dem Firmenalltag: Die Führungskraft Huber erteilt dem Mitarbeiter Frantz eine neue Aufgabe, zum Beispiel das Vertriebskonzept für ein neues Produkt zu entwerfen. Kurz unterhalten sich Huber und Frantz darüber, welche Ziele dabei zu erreichen sind – zum Beispiel in zwei Monaten 50 Kunden für das neue Produkt zu gewinnen.

Bild: Profilberater
Sabine Prohaska (Bild: Profilberater)

Dann kehrt Führungskraft Huber an ihren Schreibtisch zurück und widmet sich anderen Aufgaben. Entspannt! Denn Mitarbeiter Frantz bewies in der Vergangenheit schon oft, dass man auf ihn bauen kann. Wochen vergehen. Und immer wieder fragt Führungskraft Huber Herrn Frantz, wenn er ihn trifft: „Wie läuft’s?“ Dessen Antwort: „Bestens“. Also fragt Huber nicht weiter nach. Denn er ist überzeugt: Der Frantz hat die Sache im Griff.

Doch dann naht der Termin, an dem die Aufgabe erledigt und die vereinbarten Ziele erreicht sein sollen. Und zunehmend macht sich bei Mitarbeiter Huber Nervosität breit. Immer häufiger erzählt er von „Problemen, die sich ergaben“.

Und wenige Tage, bevor der Job erledigt sein soll, gesteht er seinem Chef: „Ich schaffe es nicht“. Und der fragt entsetzt: „Warum haben Sie mich nicht früher informiert? Dann hätten wir noch gegensteuern können.“ Doch dafür ist es nun zu spät.

Mitarbeiter in ihrer Arbeit anleiten

Wer ist für das Scheitern verantwortlich, der Mitarbeiter oder die Führungskraft? Beide! Die Hauptverantwortung trägt jedoch die Führungskraft. Denn sie lotete nicht aus: Findet mein Mitarbeiter alleine einen geeigneten Lösungsweg oder braucht er Unterstützung?

Die Führungskraft überprüfte zwischenzeitlich auch nicht, ob sich ihr Mitarbeiter noch „auf Kurs“ befindet, um – sofern nötig – korrigierend einzugreifen. Sie nahm also eine Kernaufgabe jeder Führungskraft nicht wahr, nämlich ihre Mitarbeiter bei deren Arbeit anzuleiten – zumindest bei Aufgaben, bei denen ihnen noch die nötige Routine und Erfahrung fehlt.

Doch das Anleiten hat in Managementkreisen einen eher schlechten Ruf – unter anderem, weil Anleiten heute häufig mit Anweisen gleichgesetzt wird. Doch Anleiten bedeutet nicht, anderen Personen Befehle wie „Tue dies“ und „Tue das“ zu erteilen, sondern ihnen auch die nötigen Hilfestellungen zu geben – seien diese fachlicher oder mentaler Art.

Ziel: Lernprozesse initiieren und begleiten

Hinzu kommt: Die Funktion „Anleiten“ wird heute weitgehend mit dem Bereich Ausbildung assoziiert. Zu Unrecht, denn was tut ein „Anleiter“? Er gibt seinen Schützlingen, wenn sie vor neuen Aufgaben stehen, nicht die Lösung vor, sondern fragt: „Wie würdet ihr diese Aufgabe angehen“. Er motiviert sie, eigene Lösungsvorschläge zu entwerfen. Zeigt sich dabei, dass sie Unterstützung brauchen, dann gibt er ihnen Hilfestellung, bevor er sich mit ihnen auf einen Lösungsweg verständigt.

Doch damit ist der Job des Anleitenden noch nicht erledigt. Er fragt vielmehr beim Umsetzen immer wieder nach „Gibt es Probleme?“, „Was habt ihr zwischenzeitlich erreicht?“, um bei Bedarf korrigierend oder unterstützend einzugreifen. Sonst ist weder sichergestellt, dass die gewünschten Ergebnisse erzielt werden, noch dass bei den Schützlingen die gewünschten Lernprozesse stattfinden.

Eine solche Unterstützung und Begleitung brauchen auch Berufserfahrene. Diese ihnen zu gewähren, ist eine Führungsaufgabe. Denn sonst bleibt es weitgehend dem Zufall überlassen, welche Arbeitsergebnisse erzielt werden. Und die Führungskraft kann am Ende nur konstatieren: Die Ziele wurden nicht erreicht.

Zurück zum Praxisbeispiel Huber und Frantz

Angenommen Kundenbetreuer Frantz, der bisher Aufträge abwickelte, soll künftig Neukunden akquirieren. Dann genügt es nicht, wenn sein Chef, Vertriebsleiter Huber, zu ihm sagt „Herr Frantz, machen Sie das mal“ und ihm eventuell noch das Ziel vorgibt: „Bis Ende Juni, also in drei Monaten, müssen Sie zehn Neukunden haben“. Denn dann ist nicht sichergestellt, dass Herr Frantz seine neue Aufgabe adäquat wahrnimmt und das definierte Ziel erreicht.

Das kann den Vertriebsleiter Huber im Extremfall den Job kosten. Denn seine Leistung wird von seinen Chefs an der Leistung seiner Mitarbeiter gemessen. Ausflüchte wie „Mein Mitarbeiter Frantz war überfordert“ akzeptieren sie nicht, wenn Hubers Bereich das vorgegebene (Vertriebs-) Ziel verfehlt.

Etappenziele erarbeiten

Was sollte Vertriebsleiter Huber also tun? Er sollte, wenn er seinem Mitarbeiter die neue Aufgabe überträgt, sich mit ihm zusammensetzen und erarbeiten:

  • Wie kann das vorgegebene Ziel erreicht werden?
  • Welche Maßnahmen sind hierfür nötig? Und:
  • Welche Unterstützung braucht Mitarbeiter Frantz hierfür?

Das Ergebnis könnte sein: Wenn wir bis Ende Juni zehn Neukunden gewinnen möchten, müssen wir bis Ende April mindestens 100 Unternehmen anrufen und ermitteln, ob bei ihnen grundsätzlich ein Bedarf für unsere Leistung besteht. Von ihnen sagen voraussichtlich circa 25: Ja.

Mit diesen 25 potenziellen Kunden müssen wir bis Ende Mai persönliche Gespräche führen und ihnen individuelle Angebote unterbreiten. Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir Ende Juni Aufträge von zehn Neukunden haben.

Aufgaben definieren

Sind der Weg zum Ziel „zehn Neukunden“ und die Etappenziele, die es hierbei zu erreichen gilt, fixiert, kann daraus abgeleitet werden:

  • Welche Teilaufgaben ergeben sich hieraus und
  • welche Unterstützung fachlicher, personeller sowie motivationaler Art braucht Frantz, um diese wahrzunehmen?

Erst danach darf sich Führungskraft Huber wieder anderen Aufgaben zuwenden und Mitarbeiter Frantz eigenständig seinen Job erledigen lassen – jedoch nicht eigenverantwortlich, denn ihm fehlt noch die nötige Erfahrung.

Also muss Huber in den Folgewochen bei Frantz regelmäßig zum Beispiel nachfragen:

  • „Wie läuft es mit dem Telefonieren? Bekommen Sie ausreichend Entscheider an die Strippe?“ oder
  • „Erweist sich unsere Annahme, dass 25 Prozent der Unternehmen sich für unsere Leistung interessieren, als richtig?“

Antwortet Frantz „nein“, muss Huber sich mit ihm zusammensetzen und analysieren: Warum? Zeigt sich dann zum Beispiel, dass die Vorzimmerdamen Frantz selten durchstellen, lautet die Frage erneut: Warum? Vielleicht sind seine Telefonate falsch aufgebaut? Vielleicht hat Frantz aber auch mentale Barrieren, fremde Menschen anzurufen, und lässt sich deshalb schnell abwimmeln? Abhängig vom Ergebnis, kann dann die nötige Unterstützung für Frantz organisiert werden.

Den Mitarbeiter auf dem Weg zum Ziel begleiten

Entsprechendes gilt, wenn Frantz sagt: „Ich komme zwar zu den Entscheidern durch. Es interessieren sich aber weniger als 25 Prozent für unsere Leistung.“ Dann muss Huber mit Frantz ermitteln, wie das Etappenziel, 25 Interessenten bis Ende April zu identifizieren, doch noch erreicht werden kann. Vielleicht indem sich Frantz beim Telefonieren auf bestimmte Branchen konzentriert? Oder indem er schlicht 150 statt der geplanten 100 Unternehmen anruft?

Durch ein solches Vorgehen kann die Führungskraft sicherstellen, dass ihr Mitarbeiter die gesteckten Etappenziele und letztlich auch das Endziel „zehn Abschlüsse“ erreicht. Doch nicht nur dies. Sie sorgt auch dafür, dass beim Mitarbeiter die gewünschten Lernprozesse stattfinden und bei ihm die Erfahrung entsteht, die er künftig zum eigenständigen Lösen ähnlicher Aufgaben braucht.

Denn durch das gemeinsame Analysieren, warum gewisse Vorgehensweisen (nicht) funktionieren, gewinnt der Mitarbeiter auch Erfahrung damit, geeignete Lösungswege zu entwerfen. Diese kann er auf andere Aufgaben übertragen.

Sabine Prohaska

Die Autorin ist Wirtschaftspsychologin und Inhaberin des Trainings- und Beratungsunternehmen Seminar Consult Prohaska e.U.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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