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Stan­dard­werk für bAV-Spe­zia­lis­ten stellt kri­ti­sche Fra­gen

28.02.2017

In der betrieblichen Altersversorgung (bAV) gibt es viele ungeklärte Fragen, bei denen die Juristen sich uneins sind. So bringt ein Kommentar zum Betriebsrentengesetz scharfe Kritik an höchstrichterlichen Entscheidungen an.

Der in siebter Auflage erschienene Kommentar zum Betriebsrentengesetz von Margret Kisters-Kölkes, Dr. Claus Berenz und Dr. Brigitte Huber behandelt Aspekte zum Arbeitsrecht in der betrieblichen Altersversorgung. Berücksichtigt werden Fragen zur Insolvenzsicherung, zur Zusage-Erteilung und zum Versorgungsausgleich. Der Kommentar ist im Sommer 2016 erschienen, einige jüngst ergangene wichtige Urteile fehlen deshalb.

Bild: Luchterhand Verlag
Bild: Luchterhand Verlag

Auf rund 760 Seiten beleuchtet die neue, siebte Auflage des Kommentars zum Betriebsrentengesetz von Margret Kisters Kölkes, Dr. Claus Berenz und Dr. Brigitte Huber die Facetten des BetrAVG.

Berücksichtigt werden dabei auch die gesetzlichen Anpassungen bei der Versicherungsaufsicht und die Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie.

Ergänzt wird der arbeitsrechtliche Teil durch ein gesondertes Kapitel zum Versorgungsausgleich.

Nicht kommentiert wurden die Neuregelungen der Mobilitätsrichtlinie, die erst ab 2018 in Kraft treten. Sie werden für den Leser aber bei den betroffenen Paragrafen ausgewiesen.

Urteile fehlen

Wichtige Urteile der letzten Monate finden sich aufgrund des Erscheinungszeitpunktes ebenfalls nicht wieder. Prominentestes Beispiel hierfür ist die versicherungsförmige Lösung bei einem Ausscheiden des Arbeitnehmers.

Das Werk ist nach der Abfolge der Bestimmungen im Betriebsrentengesetz gegliedert. Den größten Raum nehmen hierbei die Zusage-Erteilung und die Insolvenzsicherung ein.

Ersteres betrachtet nicht nur Definitionen, Durchführungswege und Rechtsbegründungsakte. Auch die Änderungen bestehender Zusagen und die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates werden umfassend behandelt.

Auf die steuer- und sozialversicherungs-rechtliche Behandlung von Beiträgen und Renten gehen die Autoren nur kurz ein.

Einstandspflicht bei Sanierungsklausel verfassungskonform?

Interessant für Experten der betrieblichen Altersversorgung (bAV) sind die Kommentierungen von Margret Kisters-Kölkes zur Einstandspflicht nach § 1 Absatz 1 BetrAVG. Hier hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 19. Juni 2012 in einem Fall entschieden, in dem der Arbeitgeber seine Versorgung über eine regulierte Pensionskasse durchführte (3 AZR 408/10).

Diese war in finanzielle Schieflage geraten und kürzte die Rentenansprüche, da die Satzung eine sogenannte Sanierungsklausel vorsah. Das BAG entschied, dass der Arbeitgeber für den Differenzbetrag einzustehen hat.

Die Autorin sieht in dem Urteilsspruch keine verfassungskonforme Auslegung, da der Arbeitgeber die wirtschaftliche Notlage des Versorgungsträgers nicht zu verantworten habe. Üblicherweise sind die Vertreterversammlungen von Pensionskassen-VVaG nur mit Arbeitnehmern als versicherten Mitgliedern besetzt. Demzufolge könne der Arbeitgeber weder Einfluss auf die Geschäftspolitik noch über einen Herabsetzungsbeschluss nehmen.

Ablösung durch Betriebsvereinbarung einfacher

Margret Kisters-Kölkes beschreibt ebenfalls, wie durch die jüngere Rechtsprechung die Spielräume der Arbeitgeber bei bestehenden Versorgungssystemen erhöht haben. Demnach geht das BAG davon aus, dass Gesamtzusagen und vertragliche Einheitsregelungen in aller Regel durch eine Betriebsvereinbarung abgelöst werden können.

Nach seinem Urteil vom 23. Februar 2016 (3 AZR 960/13) ist dies sogar einseitig durch den Arbeitgeber möglich, wenn dieser die „Drei-Stufen-Theorie“ beachtet. Letztere beschreibt die Kriterien, wann und in welchem Umfang der Arbeitgeber die bestehenden Versorgungszusagen zum Nachteil der Arbeitnehmer ändern kann.

Neuregelung bei Anpassungsprüfung lässt Fragen offen

Die Autorin Dr. Brigitte Huber befasst sich mit der Anpassungs-Prüfungspflicht, die in § 16 BetrAVG geregelt ist. Die Frage, wann und in welchem Umfang Arbeitgeber laufende Betriebsrenten erhöhen müssen, ist immer wieder Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten.

Die Bundesregierung hat mit dem Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie am 21. Dezember 2015 eine Änderung mit Blick auf regulierte Pensionskassen vorgenommen. So muss der Arbeitgeber keine Anpassung vornehmen, wenn er die bAV über einen solchen Versorgungsträger durchführt – und zwar auch dann, wenn nicht der gesetzliche Höchstrechnungszins angewendet wird.

Hier weist die Autorin darauf hin, dass es unterschiedliche Meinungen darüber gibt, ob die Gesetzesänderung auch rückwirkend gilt. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 15. März 2016 (3 AZR 827/14) ausdrücklich offengelassen. Keine Rückwirkung könnte eine erhebliche Belastung für manche Unternehmen bedeuten, da sie unterlassene Anpassungen in der Vergangenheit nachholen müssten.

Nicht für jeden das Richtige

Das Buch ist für diejenigen interessant, die einen oder einen weiteren Kommentar zum Arbeitsrecht der bAV suchen. Schließlich gibt es auf dem Gebiet viele nicht abschließend geklärte Fragen, bei denen die Meinungen der Juristen auseinandergehen.

Wer ein Buch sucht, welches sämtliche rechtlichen Fragestellungen der bAV umfasst, erhält in anderen Werken mehr Antworten. Ein Beispiel hierfür ist der Kommentar „Das Recht der betrieblichen Altersversorgung“ von Sebastian Uckermann, Franz Ostermayer, Dr. Achim Fuhrmanns und Dr. Peter A. Doetsch.

Hier kann sich der Leser auch über die umfassenden steuerrechtlichen Bestimmungen zu Direktzusage und Unterstützungskasse informieren. Auch das komplexe Thema der Versorgung von Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH wird behandelt. Das Werk ist allerdings schon 2013 erschienen, so dass die neuesten Entwicklungen keine Berücksichtigung finden.

Lesetipp

Margret Kisters-Kölkes, Dr. Claus Berenz und Dr. Brigitte Huber: „BetrAVG – Kommentar zum Betriebsrentengesetz mit Insolvenzsicherung und Versorgungsausgleich“, 7. Auflage 2016, XXVIII, 760 Seiten, Luchterhand Verlag.

Der Kommentar ist Ende August 2016 erschienen und auf dieser Internetseite im Wolters-Kluwer-Shop als leinengebundene Druckausgabe (ISBN 978-3-472-08687-1) für 99,00 Euro bestellbar. Es existiert ebenfalls eine Online-Ausgabe inklusive verlinkter Vorschriften und Rechtsprechung.

Stefan Wehr

Der Autor arbeitet im Bereich Produktmarketing und Vertriebsunterstützung bei der Kölner Pensionskasse VVaG.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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