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Wie die Deutschen Ri­si­ken ein­schät­zen

26.10.2016

Alltägliche Gefahren werden gerne ausgeblendet, während wir uns vor medienwirksamen Ereignissen wie Terror stark fürchten. Forscher haben eine neue Risikostudie vorgestellt, die die Ängste der Bundesbürger durchleuchtet.

Tödliche Verkehrsunfälle oder Terrorrisiken sind zwar reale Bedrohungen, aber sie machen den Bundesbürgern mehr Angst, als sie sollten. Demgegenüber sind Sachschäden und Rechtsstreitigkeiten deutlich unterschätzte Gefahren. Auch das Krankheits- und Pflegerisiko wird unterschätzt. Forscher des Instituts für Versicherungswesen haben jetzt als Fazit einer kürzlich präsentierten neuen Risikostudie mehr Offenheit für Fakten angemahnt.

Horst Müller-Peters (Bild: Schmidt-Kasparek)
Horst Müller-Peters, Professor an der TH Köln
(Bild: Schmidt-Kasparek)

Die Deutschen schätzen Risiken fast immer falsch ein. Das ist das wesentliche Ergebniss einer umfassenden Studie, die das Institut für Versicherungswesen (IVW) an der Technischen Hochschule (TH) Köln und der Lehrstuhl für Versicherungswirtschaft und Risikomanagement an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Auftrag des Goslar-Instituts erstellt hat. Sie wurde Anfang dieser Woche vorgestellt.

Bis um das 30-Fache zu hoch beurteilt

Vor allem die Wahrscheinlichkeit von Ereignisse wie Terroranschlägen, die Medien ausführlich in ihrer Berichterstattung begleiten, wird deutlich überschätzt. Häufige Ereignisse werden von der Bevölkerung hingegen oft unterschätzt.

Das gilt etwa für Sachschäden, Eigentumsdelikte oder Brand- und Leitungswasserschäden. Viel zu gering schätzen die Menschen zudem die Gefahr ein, als Kläger oder Angeklagter vor dem Kadi zu landen.

Das Risiko eines Terroranschlags wird beispielsweise um das 30-Fache überschätzt. Beim tödlichen Motorradunfall liegt diese Quote immerhin noch beim 14-Fachen. Die Gefahr durch einen Geisterfahrer zu Tode zukommen, wird immer noch um das Sechsfache zu hoch eingeschätzt.

Alltägliche Gefahren unterschätzt

BU-Risiken (Bild: Müller-Peters)
Die größten Gefahren, berufsunfähig zu werden.
Zum Vergrößern Bild klicken (Bild: Müller-Peters)

Gleichzeitig wird auch das Risiko einer Berufsunfähigkeit häufig unterschätzt. Insgesamt werden 40 Prozent der Erwerbstätigen vor Erreichung des Rentenalters berufsunfähig.

Doch in der Befragung hielten es nur 38 Prozent für möglich, innerhalb der nächsten zehn Jahre selbst betroffen zu sein. 34 Prozent der Befragten hielten dies für unwahrscheinlich und sogar 29 Prozent für sehr unwahrscheinlich, in diesem Zeitraum berufsunfähig zu werden.

„Dabei zeigt sich aber, dass die persönliche Betroffenheit sich sehr stark auf die realistische Einschätzung auswirkt. Das Risiko rückt dann deutlich stärker ins Bewusstsein“, sagte Professor Dr. Horst Müller-Peters von der TH Köln bei der Vorstellung der Studie.

Krankheit ausgeblendet

Häufig unterschätzt wird das Risiko, an Krebs zu erkranken. Gemäß der Studie „Gesundheit in Deutschland“ des Robert Koch Instituts erkranken jedoch mehr als zwei von fünf Frauen (43 Prozent) in Deutschland im Laufe ihres Lebens an Krebs. Bei den Männern ist es fast jeder Zweite (51 Prozent) Von den Befragten halten 42 Prozent dies dennoch für „unwahrscheinlich“ oder sogar „sehr unwahrscheinlich“.

Immerhin wussten 84 Prozent der Befragten, dass die Lebenserwartung kontinuierlich steigt. Demgegenüber wird die tatsächliche Lebenserwartung aber meist falsch eingeschätzt.

Realistisch schätzten nur 34 Prozent der Männer und nur 32 Prozent der Frauen ihre Lebenserwartung richtig ein. Während sich „unrealistische“ Schätzungen der Männer annähernd gleich auf Über- und Unterschätzung verteilen, unterschätzt mehr als die Hälfte der befragten Frauen ihre Lebenserwartung.

Frauen leben länger

Jede zweite weibliche Befragte lag beim Thema Lebenserwartung fünf Jahre oder mehr daneben. Da ist es auch keinen Wunder, dass rund 40 Prozent aller Befragten es für „unwahrscheinlich“ oder sogar „sehr unwahrscheinlich“ halten, im Alter für einen längeren Zeitraum pflegebedürftig zu werden.

Die Statistik beweist hingegen das Gegenteil. „Und die Situation wird sich noch verschärfen, denn das Pflegerisiko nimmt im höheren Alter massiv zu und gleichzeitig steigt die Lebenserwartung“, so Müller-Peters.

Aus der Untersuchung haben die Forscher auch Tipps abgeleitet, wie man realistisch mit Risiken umgeht. So sollten die Menschen versuchen, ihre Abneigung gegenüber Zahlen zu überwinden. Gleichzeitig sollte man sich klarmachen, dass es nicht immer andere trifft, sondern man selbst Opfer sein kann.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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