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Wer frü­her stirbt, war län­ger arm

13.06.2017

Wie sich die soziale Spaltung auf die Lebenserwartung auswirkt, hat das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung in einer aktuellen Studie untersucht.

Selbst wenn sich das Tempo des Gewinns an durchschnittlicher Lebenserwartung je Jahrzehnt von drei auf zweieinhalb Jahre verringern sollte, wären dies bis zum Jahr 2060 über zehn Jahre Lebensgewinn mit entsprechenden Auswirkungen auf die Systeme der Alters- und Gesundheitsversorgung. Dies ist ein Ergebnis der gestern vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung vorgestellten Studie „Hohes Alters, aber nicht für alle“.

Können Menschen eines Tages bis zu 150 Jahre alt werden oder gibt es eine biologische Grenze? Und wann wird die französische Rekordhalterin Jeanne Calment, die nachweislich 122 Jahre und 146 Tage alt wurde, abgelöst?

Das Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung hat jetzt mit finanzieller Unterstützung vom GfK Verein mit der Studie „Hohes Alters, aber nicht für alle“ versucht, Antworten zu finden und aufzuzeigen, wie sich die soziale Spaltung auf die Lebenserwartung auswirkt.

Diskussion um Verhältnis zwischen Lebensarbeitszeit und Langlebigkeit

Die Studie dürfte erneut die Diskussion anheizen, in welchem Verhältnis Lebensarbeitszeit und zunehmenden Langlebigkeit denn stehen sollen. Die Deutsche Bundesbank hatte schon vor diversen Jahren auf die Problematik hingewiesen und sich klar positioniert.

Die SPD verspricht in ihrem Wahlprogramm, auf keinen Fall über die Regelaltersgrenze von 67 Jahren hinausgehen zu wollen.

Und auch Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) hatte den Ball aufgegriffen und sich für eine Verknüpfung von Renteneintrittsalter und Lebenserwartung ausgesprochen.

Biologisches Limit?

Auch wenn die Lebenserwartung im Durchschnitt pro Jahrzehnt nur noch um zweieinhalb (derzeit sind es laut der Studie drei) Jahre zunehmen sollte, bedeutet dies bis zum Jahr 2060 eine erhebliche Lebensverlängerung mit entsprechenden Konsequenzen für die Alters- und Gesundheitsversorgung.

Für die Studienautorin Sabine Sütterlin könnte auch ein finanzielles Limit eine immer weiter wachsende Lebenserwartung bremsen. Nämlich dann, wenn die medizinischen Kosten weiter exorbitant steigen sollten, um Menschen in sehr hohem Alter noch mit dem dann medizinisch Möglichen zu versorgen.

Auf die Frage, ob es für Menschen ein biologisches Limit in der Alterung gebe, gebe es keine klare Antwort, erläuterten Sütterlin und Instituts-Direktor Reiner Klingholz bei der Vorstellung der Studie.

Sabine Sütterlin, Reiner Klingholz (Bild: Brüss)
Sabine Sütterlin, Reiner Klingholz (Bild: Brüss)

„Viele Studien belegen, dass zwei Faktoren entscheidend sind für gesundheitliche Ungleichheit und damit das Risiko, vorzeitig zu sterben: der Sozialstatus und das Bildungsniveau“, sagte Klingholz.

Je höher der Sozialstatus desto höher die Lebenserwartung

Je höher der Bildungstand und der sich davon ableitende Sozialstatus, desto größer sind die Chancen auf ein langes Leben. Sütterlin verwies auf die Rauchgewohnheiten. Im Jahr 1965 sei Rauchen noch als „chic“ eingestuft worden. Über 40 Prozent der Menschen mit hohem und mittlerem Sozialstatus hätten damals noch geraucht, aber nur gut 30 Prozent derjenigen mit niedrigem Sozialstatus.

Nach Jahren der Aufklärung über die negativen Folgen für die Gesundheit durch das Rauchen hat sich für Menschen mit niedrigem Sozialstatus wenig verändert, tendenziell rauchen eher mehr. Bei denen mit hohem Sozialstatus ging die Quote über die Jahre stetig auf weniger als 20 Prozent zurück. Und bei denen mit mittlerem Sozialstatus rutschte die Zahl der Raucher auf unter 30 Prozent.

„Wohlstandsrisiken“ wie Rauchen, Fehlernährung, Bewegungsmangel und Übergewicht kämen im Allgemeinen seltener vor, je besser gebildet die betrachtete Gruppe sei, heißt es in der Studie. „Wer früher stirbt, war länger arm.“

Nord-Süd-Gefälle bei der Lebenserwartung in Deutschland

Im geteilten Deutschland hatte sich über lange Jahre die Lebenserwartung für Frauen und Männer in etwa bis 1980 im Gleichklang nach oben entwickelt. Dann seien die Menschen in der DDR deutlich zurückgefallen, weil der Staat bei der medizinischen Versorgung vor allem auf den Erhalt der Arbeitskraft gesetzt habe.

„Die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, von denen eher Ältere betroffen waren, blieb dagegen zweitrangig“, hält die Studie fest. Mit der Wiedervereinigung habe sich bei den Frauen die Lebenserwartung bereits ab dem Jahr 2000 wieder vollständig angenähert. Bei den Männern vollzieht sich dieser Prozess etwas langsamer.

„Erstaunlich ist, dass es in Deutschland merkliche regionale Abweichungen und Unterschiede zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen bei Gesundheit, Sterblichkeit und Lebenserwartung gibt, obwohl die medizinische Versorgung flächendeckend zur Verfügung steht“, heißt es in der Studie. Die Lebenserwartung in Baden-Württemberg, Sachsen und Bayern sei deutlich höher als beim Schlusslicht Saarland.

Kleinräumig betrachtet würden die Unterschiede noch deutlicher ausfallen. Als Beispiel wurde der gut situierte bayerische Landkreis Starnberg genannt, wo ein neugeborener Junge im Durchschnitt ein Alter von 81,5 Jahren erreichen dürfte. In der ehemaligen Schuhmachermetropole Pirmasens seien es nur 73,4 Jahre – acht Jahre weniger.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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