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Kurzer Pro­zess

25.08.2016

Ein Beschuldigter war wegen eines Verkehrsstaus nicht rechtzeitig zum Prozess erschienen. Die Folge: Sein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid wurde verworfen. Gegen diesen Gerichtsentscheid legte der Mann Berufung ein.

Kündigt ein Beschuldigter 15 Minuten vor Beginn eines Gerichtstermins eine Verspätung von bis zu 30 Minuten an, weil er 1,5 Kilometer vom Gerichtsgebäude entfernt in einem Taxi im Stau steht, so darf das Gericht seinen Einspruch nicht einfach verwerfen. Dies gilt auch dann, wenn es die weiteren Verfahrensbeteiligten eilig haben. Das hat das Kammergericht Berlin mit Beschluss vom 21. Juli 2016 entschieden (3 Ws (B) 382/16 – 122 Ss 107/16).

Ein Autofahrer sollte wegen einer ihm vorgeworfenen Verkehrs-Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld bezahlen. Weil er gegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt hatte, beraumte das Amtsgericht Berlin-Tiergarten einen Termin an, zu welchem der Beschuldigte persönlich erscheinen sollte.

Etappensieg

Weil er zusammen mit seinem Verteidiger in einem Taxi sitzend etwa 1,5 Kilometer vom Gerichtsgebäude entfernt in einem Verkehrsstau stecken blieb, rief der Anwalt in der Geschäftsstelle des Gerichts an. Er kündigte an, dass man sich um etwa 15 und 30 Minuten verspäten werde.

Das Taxi erreichte um 9:25 Uhr das Amtsgericht. Sieben Minuten später betraten der Beschuldigte und sein Anwalt den Gerichtssaal. Zu spät. Denn der Richter hatte nach Aufruf der Sache wegen der Abwesenheit des Beschuldigten zwei Minuten zuvor einen als Zeugen geladenen Polizeibeamten sowie einen Sachverständigen entlassen und den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid verworfen.

Zur Begründung berief sich der Amtsrichter auf § 74 Absatz 2 OWiG (Ordnungswidrigkeiten-Gesetz), in dem es heißt: „Bleibt der Betroffene ohne genügende Entschuldigung aus, obwohl er von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden war, hat das Gericht den Einspruch ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil zu verwerfen.“

Doch damit wollte sich der Beschuldigte nicht abfinden. Er legte daher Beschwerde beim Berliner Kammergericht ein. Dort errang er einen Etappensieg.

Unangemessen

Nach Ansicht des Kammergerichts war es dem Amtsgericht angesichts der ihm bekannten Umstände zumutbar, auf den Kläger und seinen Verteidiger zu warten. Denn es habe eine hohe Wahrscheinlichkeit bestanden, dass die beiden kurz nach Ablauf der üblichen Wartezeit von 15 Minuten bei Gericht erscheinen würden.

Der Amtsrichter kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Gutachter geäußert hatte, nicht länger als bis kurz nach zehn Uhr anwesend sein zu können. „Denn sollte der Sachverständige seine Termine tatsächlich so eng getaktet haben, dass ein Verzug nicht abgefedert werden konnte, so wäre dies unangemessen“, so das Gericht.

Das Gleiche gelte für den Polizisten, der ebenfalls behauptet hatte, wegen weiterer Termine bei Gericht nicht länger warten zu können. Verzögerungen des in Rede stehenden Umfangs müsse nämlich ein polizeilicher Zeuge ebenso in Rechnung stellen wie die Vorsitzenden anderer Gerichte, die ihn ebenfalls als Zeuge geladen haben.

Da dem Beschuldigten nach Ansicht der Richter auch nicht vorgeworfen werden konnte, mutwillig oder grob fahrlässig zu spät zu dem Termin erschienen zu sein, wurde das gegen ihn erlassene Urteil aufgehoben. Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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