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Streit um Ar­beits­un­fall eines Zim­mer­manns

19.07.2016

Immer wieder müssen Gerichte über die Anerkennung von Arbeitsunfällen in der gesetzlichen Unfallversicherung entscheiden, wenn Vorschäden vorliegen. So auch in einem vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg verhandelten Fall.

Wenn anzunehmen ist, dass jemand durch ein Unfallereignis am Arbeitsplatz keinen Gesundheitserstschaden erlitten hat, liegt kein versicherter Arbeitsunfall vor. Dies hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 16. Juni 2016 entschieden (L 10 U 2544/13).

Der Kläger arbeitete als Zimmermann bei einem Unternehmen. Bei ihm ist mittlerweile eine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit anerkannt.

An zwei Tagen im Juli und August 2010 schnitt er mit der Handkreissäge Platten zurecht, dabei verklemmte sich die Säge beim Schneiden. Dadurch wurde ein hohes Pfeif-/Quietschgeräusch erzeugt, durch das er einen Schwindelanfall erlitt und in einem Fall auch zu Boden fiel.

Keine unmittelbaren Folgen

Dies hatte aber keine unmittelbaren Folgen, und der Schwindelanfall war schnell wieder vorbei. Bei der ärztlichen Untersuchung wurde ein Loch im Knochen des oberen Bogengangs im rechten Ohr entdeckt. Einen vereinbarten Operationstermin nahm der Kläger nicht wahr.

Der gesetzliche Unfallversicherungs-Träger lehnte den von dem Mann gestellten Antrag ab, dies als Arbeitsunfall anzuerkennen. Er begründete dies damit, dass die Pfeifgeräusche nicht für das Loch verantwortlich sein könnten.

Dagegen legte der Zimmermann Klage vor dem Sozialgericht Mannheim ein, das ein medizinisches Gutachten einholte. Dieses kam zu dem Schluss, der Schwindel könne zwar durch die hohe Frequenz des Geräuschs ausgelöst worden sein, die Ursache sei aber die Bogengangdeshiszenz. Der akute Lärm, der auch aus anderen Quellen stammen könne, sei lediglich Auslöser des Schwindels.

Deshalb wies das Gericht die Klage ab, da ein Gesundheitserstschaden aufgrund der Ereignisse von Juli und August 2010 nicht festzustellen sei (Urteil vom 10. April 2013, S 12 U 3719/11).

Unbemerktes Fortschreiten

Der Kläger ging dagegen in Berufung. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg schloss sich in seiner Entscheidung der Argumentation der ersten Instanz an. Es sei davon auszugehen, dass die Bogengangdeshizenz bereits zuvor bestand und unbemerkt fortgeschritten sei.

Deshalb wären frühere vergleichbare Geräuschentwicklungen folgenlos geblieben, bis die Erkrankung einen Punkt erreicht habe, bei dem die Lärmwirkungen nicht mehr toleriert wurden. Dieser Hergang sei vergleichbar mit dem letzten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Grundlage der Entscheidung waren mehrere ärztliche Gutachten, die einmal die Position der einen und dann die der andern Seite stützten.

Nach einem Hinweis des Senats hielt der Kläger sein Begehren, dass ihm Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt werden, nicht mehr aufrecht. Gegenstand des Rechtsstreits war zuletzt deshalb nur noch die Anerkennung der Ereignisse als Arbeitsunfälle.

Kein Gesundheitserstschaden

Der Kläger hatte aus Sicht des Gerichts keinen Gesundheitserstschaden erlitten. Die Bogengangdeshizenz könne entweder traumatisch erworben worden sein, beispielsweise durch ein Schädel-Hirn-Trauma, oder durch eine Entzündung oder auch anlagebedingt sein. Mit Sicherheit liege hier keine Unfallfolge und deshalb kein Arbeitsunfall vor.

Auch die bestehende beidseitige Innenohrschwerhörigkeit sei nicht auf die Ereignisse zurückzuführen, zumal der Kläger nicht sofort eine Hörverminderung verspürt habe. Hier sei vielmehr von einer chronischen Lärmschädigung auszugehen, die zwischenzeitlich als Berufskrankheit anerkannt wurde. Eine Revision ließ das Gericht nicht zu.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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