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Studie: Mas­sive Ein­schnitte im Ver­sicherungs­vertrieb

21.06.2016

Oliver Wyman hat eine Prognose für den Versicherungsmarkt 2025 vorgelegt. Demnach werden die Vermittler deutlich Federn lassen müssen. Auch in der Lebensversicherung könnte es zu einem kräftigen Schrumpfungsprozess kommen.

Der Versicherungsvertrieb wird nach der Studie „Versicherung 2025“ von Oliver Wyman bis 2025 um 100.000 Vermittler schrumpfen, das Provisionsvolumen um bis zu 50 Prozent.

Die Unternehmensberatung Oliver Wyman GmbH hat jetzt die Studie „Versicherung 2025 – Ein Zukunftsszenario für die Gewinner von morgen“ veröffentlicht, in der die Zukunft des deutschen Versicherungsmarktes analysiert wird.

Nach Einschätzung der Studienautoren steht die Versicherungsbranche in den kommenden Jahren vor einem Wandel nie dagewesenen Ausmaßes. Ihre volkswirtschaftliche Kernfunktion – die Absicherung von Risiken für Privatpersonen und Unternehmen – werde die Assekuranz allerdings auch 2025 noch erfüllen.

Unter anderem der Kostendruck, die Niedrigzinsen, das neue Eigenkapitalregime Solvency II und die fortschreitende Digitalisierung führten aber dazu, dass sich die Geschäftsmodelle der Versicherer deutlich verändern müssten.

Dies gelte für alle Bereiche der traditionellen Wertschöpfungskette von Produkten und Vertrieb über Betriebs- und Schadenfunktionen bis hin zum Finanz- und Risikomanagement.

Verschiedene Kernannahmen

Für das Zukunftsszenario hat Oliver Wyman eine Reihe von übergreifenden Kernannahmen getroffen. Dazu gehören zum einen die wachsenden digitalen Komfortansprüche der Verbraucher, die zunehmend kombinierte On- und Offline-Interaktionen erwarteten.

Die Unternehmensberatung geht davon aus, dass die Versicherer den Aufgabenbereich Digitalisierung langfristig nicht als eigenständigen Kompetenzbereich etablieren können, sondern agile und vernetzte Fähigkeiten zur Nutzung digitaler Technologien in allen Kernfunktionen aufbauen werden. Neben der Effizienzsteigerung könnten so auch Innovationen in beschleunigter Frequenz vorangetrieben werden.

Die Versicherungsindustrie wir nach Ansicht der Studienautoren ein erweitertes Serviceverständnis entwickeln, was ihnen neue Wachstumsfelder als „Partner für erlebte Sicherheit“ eröffneten. Als Beispiele werden hier die Risikoprävention sowie Schaden- und Servicedienste genannt.

Darüber wird es laut Oliver Wyman zu einer weiteren Modularisierung der Geschäftsmodelle kommen. Selbst wenn modulare Konzepte schon heute ein Maßstab für moderne Produkt- und IT-Architekturen seien, so werden die Versicherungs-Unternehmen 2025 übergeordnete modulare Geschäftsmodelle geformt haben. Damit könnten sie ihre Produkte und Leistungen in andere Ökosysteme und Plattformen einbinden, so die Studienautoren.

Szenario 1 in der Lebensversicherung

Für die Lebensversicherung zeichnet die Unternehmensberatung zwei Szenarien. In Abhängigkeit vom politischen Rahmen schlage das Pendel entweder in Richtung Wachstum oder in Richtung Rückgang aus. Das Wachstums-Szenario basiert auf der Annahme, dass der Staat stärker auf die betriebliche Altersversorgung (bAV) setzt.

Politische Pläne zur bAV-Belebung

Quelle: eigene Recherche

Zur Verbesserung der bAV-Durchdringung hatten das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wissenschaftliche Gutachten in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse im Frühjahr veröffentlicht wurden.

Derzeit wird in den betroffenen Ressorts diskutiert, welche der Vorschläge wie etwa die Einführung eines Opting-out-Modells oder Zuschüsse für Geringverdiener in ein bAV-Reformgesetz einfließen könnten.

Sozial- und -Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) plant, im Herbst ein Gesamtkonzept zur Verbesserung der Alterssicherung vorzulegen.

Installiert die Regierung ein Opting-out-Modell, so werden nach Einschätzung von Oliver Wyman neue, übergreifende und branchenorientierte Versorgungswerke analog zur schon bestehenden Metallrente entstehen.

„Die Versicherer können sich dort als direkte Anbieter oder über die Rückdeckung von Versorgungszusagen engagieren“, so die Studienautoren. Zudem sei weiter davon auszugehen, dass Arbeitgeber sich alternativ auch für individuelle Angebote der Versicherer in den heutigen Durchführungswegen entscheiden können.

Unter diesen Annahmen hält die Unternehmensberatung ein Plus der Beitragseinnahmen von etwa vier Milliarden Euro auf rund 98 Milliarden Euro im Jahr 2025 für möglich. Nach Einschätzung der Studienautoren werden Betriebsrenten dann etwa die Hälfte des Neugeschäfts nach APE ausmachen. Derzeit liege der Anteil bei rund einem Sechstel.

Bild: Oliver Wyman
Bild: Oliver Wyman

Szenario 2 in der Lebensversicherung

Bliebe es bei dem derzeit herrschenden rechtlichen Rahmen, was Oliver Wyman allerdings für das „weniger wahrscheinliche Alternativszenario“ hält, so drohe der Lebensversicherungs-Branche ein Minus von ebenfalls etwa vier Milliarden Euro bei den Beitragseinnahmen.

Für Biometrieprodukte wie die Erwerbsminderungs- oder Pflegevorsorge erwartet die Unternehmensberatung in beiden Szenarien Wachstumspotenzial. Das Neugeschäftsvolumen (APE) sehen die Studien anteilsmäßig zwischen einem Siebtel (Szenario 1) und einem Fünftel (Szenario 2).

„Hierfür müssen künftige Biometrieprodukte dem Kunden echte Risiko- und Preisentlastungen im Kollektiv sowie hinreichend flexible Anrechnungs- und Auszahlungsoptionen bieten“, stellen die Studienautoren als Voraussetzung heraus.

Veränderungen im Vertriebswegemix

Nach Einschätzung von Oliver Wyman wird in der Schaden-/Unfallversicherung vor allem die Bedeutung der unabhängigen Drittvertriebe wachsen. Für 2025 wird ein Marktanteil von über 50 Prozent prognostiziert. Es wird davon ausgegangen, dass traditionelle Makler im Geschäft mit Standardprodukten teilweise durch digitale Makler und Aggregatoren ersetzt werden.

Der künftige Vertriebswegemix in der Lebensversicherung hängt laut der Unternehmensberatung „davon ab, wie stark der Staat in die betriebliche Altersversorgung eingreift.“ Im Szenario 1 würde durch die staatlich stark reglementierten Abschlusskosten „der Großteil des Geschäfts nur noch über ein kostenneutrales Direktmodell sowie angestellte Mitarbeiter zur Betreuung der Versorgungswerke und großer Einzelunternehmen abgewickelt werden“ können.

Für selbstständige Agenturen und unabhängige Drittvertriebe hieße das, dass sie sich dann neue Schwerpunkte suchen müssten, stellen die Studienautoren weiter heraus.

Bild: Oliver Wyman
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Vertrieb wird kräftig schrumpfen

Für den Vertrieb rechnet Oliver Wyman ein drastisches Schrumpfungs-Szenario vor. „Den klassischen Versicherungs-Vermittlern […] stehen schwere Zeiten bevor“, so die Studienautoren. Ein verändertes Kundenverhalten und verschärfte regulatorische Vorgaben zur Vertriebsvergütung sorgten für, dass von den derzeit gut 230.000 Vermittlern bis 2025 rund 100.000 aus dem Markt ausschieden.

Dies ist laut der Unternehmensberatung für viele eine wirtschaftliche Notwendigkeit, da das erzielbare Provisionsvolumen im Markt ebenfalls drastisch um 40 bis 50 Prozent sinke. Die Prognose beruht auf folgenden Annahmen:

  • Rückgang der Abschlussprovisions-Sätze um 80 Prozent in der bAV und um 50 Prozent in der privaten Altersvorsorge,
  • 20 Prozent höhere Bestandsprovisions-Sätze in der Lebensversicherung,
  • Seitwärtsentwicklung der Provisionssätze in der Schaden-/Unfallversicherung.

„Diese Entwicklung gefährdet vor allem kleinere Agenturen und auch Makler. Sie sind dazu gezwungen, ihr Geschäft aufzugeben oder sich mit anderen Vermittlern zusammenzuschließen“, so die Studienautoren.

Bild: Oliver Wyman
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Umbau der Vertriebswege

Oliver Wyman geht davon aus, dass die Versicherer ihre Vertriebswege deutlich umbauen werden, wobei die Bedeutung digitaler Medien zulasten des traditionellen Vermittlers wachsen werde. „Bis zum Jahr 2025 werden personale Vertriebe konsequent in Omnikanalmodelle integriert worden sein“, zeigen sich die Studienautoren überzeugt.

Weiterhin bestehende Exklusivvertriebe operierten dann als hochgradig digital unterstützte und bedarfsweise mobile Vermittler-Organisationen, die entweder in größeren Einheiten organisiert seien oder sehr zielgerichtet als Vertrauenspartner vor Ort arbeiten.

Versicherungsmakler sieht die Unternehmensberatung verstärkt auf nicht standardisierte Produktfelder fokussiert. An digitaler Vernetzung und Kundeninteraktion komme aber auch dieser Vertriebsweg nicht vorbei.

Die komplette Studie „Versicherung 2025 – Ein Zukunftsszenario für die Gewinner von morgen“, die auch Strategietipps für die Versicherungsanbieter enthält, kann als 42-seitiges PDF-Dokument unter diesem Link heruntergeladen werden.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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