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Frist­lose Kündi­gung nach Bei­nahe-Unfall

17.06.2016

Eine Arbeitnehmerin, die beruflich auf das Dienstfahrzeug angewiesen ist, hatte diverse Verkehrsverstöße begangen. Das brachte ihr die Kündigung ein. Ob dies angemessen ist, wurde vor Gericht entschieden.

Wenn ein Arbeitnehmer mit seinem Dienstwagen so fährt, dass er eine Gefährdung des Straßenverkehrs darstellt, kann dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Allerdings muss eine Interessenabwägung darüber vorgenommen werden, ob dies im Einzelfall angemessen ist. So lautet der Tenor eines Urteils der 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 8. Oktober 2015 (5 Sa 176/15).

Die Klägerin arbeitete als Pflegekraft bei der Beklagten. Um zu den Patienten fahren zu können, bekam sie ein Dienstfahrzeug gestellt, das mit dem Slogan des Unternehmens beschriftet war.

Bereits im Jahr 2014 hatte die Klägerin einen Unfall verursacht und war außerdem gegen eine Mauer gefahren. Anfang 2015 berichtete nun ein Zeuge der Beklagten, dass es auf dem Weg zu einer Patientin erneut zu einem „Beinahe-Unfall“ gekommen war, dies als Folge von verkehrswidrigem Verhalten der Klägerin.

Streit über Abrechnung

Als die Pflegekraft darauf angesprochen wurde, zeigte sie sich völlig uneinsichtig. Einige Tage später reichte sie ihre fristgemäße Kündigung ein und meldete sich drei Wochen arbeitsunfähig.

Drei Tage nach der Kündigung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ihrerseits fristlos und schickte der Pflegekraft eine Gehaltsabrechnung, bei der sie noch ausstehende Zahlungen mit einem hohen Abzug für Minusstunden verrechnete.

Die fristlose Kündigung begründete sie damit, dass es zu der Tätigkeit der Klägerin gehöre, sich sicher im Straßenverkehr zu bewegen, um zu den Patienten fahren zu können. Ihr Fehlverhalten auf diesem Gebiet zeige eine fehlende Zuverlässigkeit und mangelnde Eignung für die Tätigkeit bei der Beklagten.

Fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt

Dagegen legte die Pflegekraft Klage vor dem Arbeitsgericht ein. Dieses gab ihr in vollem Umfang statt und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung, sondern durch die Eigenkündigung der Klägerin beendet worden sei. Deshalb stünden ihr auch die Bezüge in voller Höhe zu.

Straßenverkehrs-rechtliche Pflichten seien allenfalls Nebenpflichten im Rahmen der ambulanten Pflegetätigkeit gewesen. Es sei nicht Aufgabe des Arbeitgebers, Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr zu verfolgen.

Die Beklagte legte dagegen Berufung vor dem Landesarbeitsgericht ein. Zusätzlich zu den bereits angeführten Argumenten wies sie darauf hin, dass sie eine Ersatzkraft einstellen müsse, falls einer Pflegekraft der Führerschein entzogen würde. Außerdem habe die Klägerin nach dem Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit ihre Arbeitskraft nicht wieder angeboten.

Auch Nebenpflichten zählen

Das Landesarbeitsgericht schloss sich dem Urteil des Arbeitsgerichts an und wies die Berufung zurück. Grundsätzlich könne eine Gefährdung des Straßenverkehrs mit dem Dienstfahrzeug des Arbeitgebers als vertragliche Nebenpflicht durchaus ein Grund zur fristlosen Kündigung sein.

Allerdings müsse dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Die fristlose Kündigung könne nur das letzte Mittel sein, um auf Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers zu reagieren. Der Regelfall müsse die ordentliche Kündigung sein.

Im konkreten Fall wäre zudem zunächst eine Abmahnung angemessen gewesen. Deshalb ende das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt, der in der ordentlichen Eigenkündigung der Klägerin angegebenen war. Auch die Zahlungsansprüche wurden ihr in voller Höhe zugesprochen.

Eine Revision ließ das Gericht nicht zu.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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