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Verwirrung bei Versicherungs­beratern ist unnötig

17.10.2017

Ein Fehler des Gesetzgebers beim IDD-Umsetzungsgesetz hat die Rechtsgrundlage des Berufsstandes in Frage gestellt. Jetzt hat sich auch die Wissenschaft in die Diskussion eingeschaltet. Gastkommentator Christian Rüsing zeigt juristische Wege auf, wie die Betroffenen ihren Beruf weiter ausüben beziehungsweise neu einsteigen können.

Bei dem Ende Juli in Kraft getreten IDD-Umsetzungsgesetz ist dem Gesetzgeber ein Fehler unterlaufen, der die Rechtsgrundlage für die Arbeit von Versicherungsberatern in Frage gestellt hat. Doch die Betroffen können sich auf den mutmaßlichen Willen des Bundestages berufen und auf der Grundlage der Rechtsauslegung weiter arbeiten. Einsteiger können sogar neue Erlaubnisse erhalten. Diese Überzeugung begründet der Jurist Christian Rüsing in diesem Gastkommentar.

Ein Fehler in Artikel 6 des Gesetzes zur Umsetzung der IDD (BGBl. I Nr. 52 v. 28.7.2017, S. 2789, PDF-Datei, 152 KB; im Folgenden IDD-Gesetz) hat viele Fragen rund um Versicherungsberater aufgeworfen.

Christian Rüsing (Bild: privat)
Christian Rüsing (Bild: privat)

Bei wortgenauer Anwendung werden der Erlaubnisvorbehalt für Versicherungsberater und ihre Befugnis zur Rechtsberatung (§ 34e GewO a.F.) bereits zum 29. Juli 2017 durch die Ermächtigung zum Erlass der neuen VersVermV (§ 34e GewO n.F.) ersetzt.

Die Neuregelung für Versicherungsberater (§ 34d Absatz 2 GewO n.F.) tritt aber erst zum 23. Februar 2018 in Kraft.

Die befürchteten Folgen: Neue Versicherungsberater können in der Zwischenzeit nicht zugelassen werden, alte verlieren ihre Erlaubnis und handeln unter Umständen rechtswidrig beziehungsweise ohne Versicherungsschutz.

Probleme können durch Auslegung gelöst werden

Diese Ansicht kann nicht überzeugen. Mit allgemeinen Auslegungsmethoden lassen sich die Probleme vielmehr praxisgerecht lösen.

In der Tat bestimmt aber Artikel 6 S. 2 IDD-Gesetz, dass § 34e GewO a.F. zum 29. Juli 2017 durch die Verordnungsermächtigung des § 34e GewO n.F. „ersetzt“ wird. Die neuen Bestimmungen zum Versicherungsberater in § 34d Absatz 2 GewO n.F. treten hingegen nach Artikel 6 S. 1 IDD-Gesetz erst zum 23. Februar 2018 in Kraft.

Man darf beim Wortlaut der Vorschrift aber nicht stehenbleiben, sondern muss § 156 GewO n.F. beachten. Danach soll § 34e GewO a.F. noch bis zum 22. Februar 2018 gelten. Zwar tritt § 156 GewO n.F. nach Artikel 6 S. 1 erst zum 23. Februar 2018 in Kraft und erzeugt als Übergangsvorschrift erst ab diesem Zeitpunkt Rechte und Pflichten. Die Norm ist aber bereits mit Verkündung (28.7.2017) existent. Sie kann daher zur Auslegung des Artikels 6 herangezogen werden.

Gesetzgeber will alten § 34e weiterbestehen lassen

Eine solche systematische Auslegung ergibt, dass Artikel 6 S. 2 zwar den § 34e GewO n.F. zum 29. Juli 2017 nach außen wirksam werden lassen möchte. § 34e GewO a.F. soll zu diesem Zeitpunkt aber nicht außer Kraft gesetzt werden.

Das entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der mit Artikel 6 S. 2 lediglich möglichst schnell eine Rechtsgrundlage für die Anpassung der VersVermV schaffen wollte (ebenso Schönleiter in der Zeitschrift „Das Gewerbearchiv“, 2017, 374). Hält man Artikel 6 IDD-Gesetz trotz des klaren § 156 GewO n.F. nicht für auslegungsfähig, wäre Artikel 6 S. 2 insoweit teleologisch zu reduzieren.

Mit der „Neufassung“ des § 34e GewO geht dann anders als sonst üblich für eine Übergangszeit nicht das Außerkrafttreten der alten Fassung einher. Da der Gesetzgeber aber § 34e GewO n.F. bereits zum 29. Juli 2017 einführen wollte und man diese Entscheidung wohl respektieren muss, gelten für eine Übergangszeit zwei Fassungen des § 34e mit unterschiedlichem Inhalt: § 34e GewO-ALT bis zum 22. Februar 2018 und § 34e GewO-NEU ab dem 29. Juli 2017.

Dies könnte der Gesetzgeber klarstellen. Auf Basis des § 34e GewO-ALT in der bis zum 22. Februar 2018 gültigen Fassung können jedenfalls neue Erlaubnisse erteilt werden (ebenso Schönleiter, Gewerbearchiv, 2017, 374 f.).

Erlaubnisse und Versicherungsschutz gehen nicht verloren

Selbst wenn man sich dieser Auslegung nicht anschließt, sind die Folgen für Versicherungsberater mit einer auf § 34e GewO a.F. beruhenden Erlaubnis keinesfalls derart gravierend, wie zum Teil behauptet.

Bei Wegfall des Erlaubnisvorbehalts blieben erteilte Erlaubnisse nämlich rechtswirksam. Bei ihnen handelt es sich um Verwaltungsakte, die in Bestandskraft erwachsen. Ihre Rechtswirkungen bleiben nach § 43 Absatz 2 VwVfG bestehen, bis sie nach §§ 48, 49 VwVfG widerrufen oder zurückgenommen werden. Keinesfalls verlieren sie aufgrund bloßer Gesetzesänderungen ihre Wirksamkeit.

Etwas anderes müsste der Gesetzgeber explizit anordnen. Das hat er nicht gemacht. Vielmehr macht er in § 156 Absatz 1 GewO n.F. deutlich, dass Erlaubnisse von der Gesetzesänderung unberührt bleiben sollen. Er wird damit Artikel 12 Absatz 1 GG gerecht.

Abweichend vom Verbot des Rechtsdienstleistungs-Gesetzes beinhalten Erlaubnisse nach § 34e Absatz 1 Satz 3 GewO a.F. die Befugnis, Dritte rechtlich zu beraten. Schon wegen dieser begünstigenden Wirkung (und weil die Erlaubnispflicht nicht auf Dauer entfiele) würden sich Erlaubnisse auch bei zwischenzeitigem Wegfall des Erlaubnisvorbehalts in der GewO nicht automatisch erledigen. Versicherungsberater können ihre Tätigkeit dementsprechend unproblematisch fortführen.

Beim Versicherungsschutz kommt es auf die Erlaubnis an

Sie haben dabei in der Regel auch Versicherungsschutz. Viele Policen sprechen zwar davon, dass die mit behördlicher Erlaubnis ausgebübte Tätigkeit als Versicherungsberater im Sinne des § 34e GewO versichert ist.

Aus dieser Risikobeschreibung ergibt sich aber keinesfalls, dass Versicherungsberatungs-Tätigkeiten nicht mehr vom Versicherungsschutz erfasst sein sollen, wenn sie in einer anderen Norm geregelt sind.

Entscheidend ist, dass die Tätigkeit mit einer Erlaubnis nach § 34e GewO (a.F.) ausgeübt wird. Das ist, wie eben dargelegt, der Fall. Freilich können Versicherungsberater zur Vorsicht bei ihrem Versicherer nachfragen, ob er eine andere Rechtsauffassung vertritt. Davon ist aber nicht auszugehen.

Angesichts dessen können Versicherungsberater in der Praxis beruhigt sein. Für sie hat der Fehler des Gesetzgebers keine negativen Konsequenzen.

Christian Rüsing

Der Autor ist Doktorand der Rechtswissenschaften an der Münsterischen Forschungsstelle für Versicherungswesen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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