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Ver­nich­ten­de Kri­tik an Deut­schland-Rente und Vo­rsor­ge-Konto

18.07.2016

Die Deutsche Rentenversicherung hat sich am vergangenen Freitag über derzeit kursierende neue staatliche Vorsorgemodelle geäußert und kein gutes Haar daran gelassen. Auch zur Riester-Rente kam einiges auf den Tisch.

Die Deutsche Rentenversicherung hat sich intensiv mit Reformvorschlägen zur Altersvorsorge auseinandergesetzt. Das Fazit ist ernüchternd: Die Vorschläge seien entweder nichtssagend oder widersprüchlich. Nach Meinung der DRV sollte die aktuelle Förderung der privaten Altersvorsorge attraktiver gestaltet werden.

Vor einer kapitalgedeckten Altersvorsorge in „staatlicher Hand“ hat am vergangenen Freitag die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) auf einer Veranstaltung in Berlin gewarnt. Unter heutigen Marktbedingungen, hieß es, sei es überhaupt nicht möglich, mit einem solchen Produkt zu starten.

„Das Risiko, dass das Produkt gar nichts bringt, ist sehr groß“, warnte Reinhold Thiede, Leiter des Geschäftsbereichs Forschung und Entwicklung bei der DRV. Würde eine kapitalgedeckte Altersvorsorge als staatliche Leistung in der Nähe der DRV angesiedelt, könnte die Enttäuschung der Kunden sogar das Image der gesetzlichen Rente schädigen.

Vorsorgekonto: Mit 90 keine Rente mehr

Scharf kritisierte Thiede daher einen Vorschlag der regionalen Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg. Beim sogenannten „Vorsorge-Konto“, sieht er sehr viele Widersprüche. So sollen die Kunden Anspruch auf eine Erwerbsminderungs- (EM-) Rente haben, einen vorzeitigen Renteneinstieg aus dem angesparten Kapital bezahlen können und eine Altersrente erhalten.

Reinhold Thiede (Bild: Schmidt-Kasparek)
Reinhold Thiede (Bild: Schmidt-Kasparek)

Diese lebenslange Altersrente soll auf Basis der Lebenserwartung der Durchschnitts-Bevölkerung mit Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) kalkuliert werden. Sie würde so deutlich höher als bei Privatrenten ausfallen, die mit hohen Sicherheitsmargen nach eigenen Sterbetafeln berechnet werden.

„Damit dürfte man schwer auf die Nase fallen“, sagte Thiede. Denn es sei kaum wahrscheinlich, dass der Teil der Kundschaft, die nach einer Erwerbsunfähigkeits-Rente oder dem früheren Einstieg in die gesetzliche Rente noch übrig bliebe, ausgerechnet dem Durchschnitt der Bevölkerung in Deutschland entspreche. „Hier ist die Gefahr groß, dass man die Rente für ältere Kunden, die vielleicht 90 werden, nicht mehr bezahlen kann“, warnte Thiede.

Zudem sei das Produkt wegen der solidarisch finanzierten EM-Rente im Gegensatz zu den Aussagen der Initiatoren aus Baden-Württemberg nicht Riester-fähig. Die EM-Komponente sei zudem ein Kunstgriff, um die Legalität des Produktes zu erhalten. Denn ohne ein solidarisches Element würde der Staat mit dem Produkt unerlaubt in den Wettbewerb mit privaten Versicherern eingreifen.

Kosten nicht berücksichtigt

Des Weiteren hätten die Entwickler des „Vorsorge-Kontos“ übersehen, dass der Einzug von Beiträgen mit hohen Kosten verbunden sei. Daher bezweifelt Thiede, dass das „Vorsorge-Konto“ sehr günstig arbeiten könnte. Auch würde der freiwillige Abschluss unweigerlich Werbekosten auslösen.

Da die Beiträge der Kunden schließlich nach den strengen Vorgaben der DRV angelegt werden sollen, ist mit kaum mit einer hohen Rendite zu rechen. Ein Teil des Kapitals müssten zudem jederzeit zur Verfügung stehen, um sofort EM-Renten zahlen zu können. Laut Thiede erzielt die DRV derzeit mit ihren Schwankungsreserven, die für kurze Zeit am Kapitalmarkt angelegt werden, „keine nennenswerte Rendite“.

„Deutschland-Rente“: Leistung vollkommen unklar

Kein gutes Haar ließ der DRV-Forscher zudem an der „Deutschland-Rente“, die im vorigen Jahr von hessischen Politikern vorgeschlagen wurde. „Das dreiseitige Papier lässt ganz viele Fragen offen“, so Thiede. Vor allem gebe es überhaupt keine Aussage zur Leistung.

„Es ist mir völlig unklar, wie man an eine große Verbreitung der ‚Deutschland-Rente‘ glauben kann, wenn man dem Kunden nicht sagt, was er für eine Rente zu erwarten hat“, so Thiede. Hier würden die meisten Arbeitnehmer wohl ihr Recht wahrnehmen und sich aktiv gegen das Produkt entschieden.

Risiko der Zweckentfremdung

Eine hohe Rendite würde mit dem Verweis auf den norwegischen staatlichen Pensionsfonds begründet, der in hohem Umfang in Aktien investiert. „Dieser Fonds ist aber gar nicht für die Altersvorsorge vorgesehen, sondern damit werden sprudelnde Einnahmen aus der Ölförderung in die Zukunft verschoben. Die Gelder sind nicht für einzelne Kunden reserviert, sondern sollen der Finanzierung des norwegischen Staatshaushaltes dienen“, erläuterte Thiede.

Generell befürchtet der DRV-Experte, dass Kapital, das unter staatliche Obhut für die Altersvorsorge gesammelt würde, immer dem Risiko der Zweckentfremdung unterliegt. Zudem dürfte der Staat keine Garantien geben.

Riester verbessern

Thiede plädiert daher dafür, den von der Bundesregierung eingeschlagenen Weg von mehr Transparenz und Kostendämpfung bei der staatlich geförderten Riester-Rente weiterzuverfolgen.

Derzeit würden bereits rund 70 Prozent der Bürger per Riester oder über ihren Betrieb zusätzlich privat für ihr Alter vorsorgen. Eine Verbreiterung sei notwendig. So sollte es für die Riester-Rente im Alter Freibeträge geben, damit sie bei Geringverdienern nicht mehr mit der Grundsicherung verrechnet wird. „Kunden können sich zudem bei der Rentenversicherung oder den Verbraucherzentralen neutral über die Riester-Rente beraten lassen“, rät Thiede.

Die zuletzt vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentlichte Statistik zu den Riester-Zahlen weist aus, dass zwischen Januar und März zu erstem Mal der Bestand an Riester-Verträgen gesunken ist und aktuell bei 16,481 Millionen liegt. Positiv haben sich lediglich die Varianten Wohn-Riester und Fondssparplan entwickelt.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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