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Wenn man auf dem Ar­beits­weg beim Tan­ken ver­un­fallt

05.12.2016

Wann es Probleme mit der Berufsgenossenschaft geben kann, wenn ein Arbeitnehmer auf dem Weg von oder zu seiner Arbeitsstätte tanken will und dabei verunglückt, zeigt ein Gerichtsurteil.

(verpd) Grundsätzlich muss ein Arbeitnehmer den kürzesten Weg von seiner Wohnung zur Arbeit und zurück nehmen, um unfallversichert zu sein. Kommen dabei aber mehrere Strecken infrage, kann er nach mehreren Kriterien selbst entscheiden, welche er nimmt. Tanken unterwegs ist dabei zwar nicht versichert. Wenn er dafür aber nicht von der eigentlichen Strecke abkommt, gefährdet das den Versicherungsschutz nicht. Dies ist der Tenor eines Urteils des Sozialgerichts (Az.: S 23 U 92/14) bei einem entsprechenden Streitfall.

Eine Arbeitnehmerin war mit ihrem Mofa auf dem Heimweg von der Arbeit, als sie mit ihrem Roller ausrutschte und hinfiel. Danach musste sie stationär und physiotherapeutisch behandelt werden. Nach ihren Angaben nahm sie den gleichen Weg wie immer. Das war zwar nicht die kürzeste Strecke, aber dafür war sie sicherer – bei dem kürzeren Weg musste sie an parkenden Autos vorbei und sah sich durch ausparkende Fahrzeuge in ihrer Sicherheit gefährdet.

Am Unfalltag hatte sie den Weg auch deshalb gewählt, weil er direkt an einer Esso-Tankstelle vorbeiführte und die Tankuhr an ihrem Mofa anzeigte, dass Nachtanken erforderlich war. Diese Angaben nahm der gesetzliche Unfallversicherungs-Träger zum Anlass, die Gewährung von Leistungen abzulehnen. Die Zweiradfahrerin habe nicht den direkten Weg nach Hause genommen, weil sie noch tanken wollte. Tanken zähle aber zu den unversicherten Tätigkeiten und sei dem persönlichen Lebensbereich zuzuordnen.

Tanken zwingend nötig

Zudem habe ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung angegeben, dass er persönlich einen anderen Weg, der zudem kürzer sei, für weniger gefährlich halte. Deshalb hätte die Verkäuferin keinen Grund gehabt, den anderen Weg zu wählen.

Dagegen legte die Frau Klage vor dem Gericht ein und ergänzte, dass das Tanken zwingend nötig gewesen wäre, um überhaupt noch nach Hause zu kommen. Das Tanken sei dabei ein Zwischenziel auf dem Weg nach Hause und nicht der eigentliche Zweck des Weges gewesen.

Das Gericht zog bei dem Mitarbeiter der Stadtverwaltung weitere Auskünfte ein. Dabei relativierte dieser seine Aussagen über die geringere Gefährlichkeit der alternativen Strecke. Außerdem stellte das Gericht mithilfe von Google Maps fest, dass die kürzeste Strecke 3,2 Kilometer lang sei, die tatsächlich gefahrene Route 4,1 Kilometer.

Unerhebliche Verlängerung

Dies sei eine unerhebliche Verlängerung, da man berücksichtigen müsse, dass bei kurzen Gesamtstrecken der Längenunterschied prozentual höher ausfallen könne. Auf beiden Wegen lauerten für Zweiradfahrer – wenn auch unterschiedliche – Gefahren.

Deshalb sei der von der Klägerin gewählte Weg grundsätzlich als versicherter Weg anzusehen, zumal sie sich für ihn entschieden hätte, um den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte möglichst unbeschadet zurückzulegen und so mit ihrer Arbeitskraft voll für den Arbeitgeber zur Verfügung zu stehen. Das sei keine rein oder überwiegend private Motivation.

Daneben falle das Tanken nicht ins Gewicht, zumal die Unterbrechung dafür geringfügig gewesen sei und den üblichen Heimweg nicht verändert habe. Das Tanken hätte quasi im Vorbeigehen erledigt werden können, wobei sich der Unfall noch vor der Tankstelle ereignet hatte, sodass der versicherte Weg noch gar nicht unterbrochen worden war. Deshalb gab das Gericht der Klage in vollem Umfang statt und stellte fest, dass es sich um einen Versicherungsfall gehandelt habe.

Auf Rund-um-Absicherung achten

Damit es nach einem Unfall aufgrund von bleibenden gesundheitlichen Schäden nicht noch zu finanziellen Problemen kommt, sollte man sich grundsätzlich nicht alleine auf die gesetzliche Absicherung verlassen. Denn viele Tätigkeiten, auch wenn sie im unmittelbaren Bereich der Berufsausübung erfolgen, fallen nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Und selbst wenn ein gesetzlicher Unfallschutz besteht, genügen die Leistungen oftmals nicht, um die Mehrbelastungen und Einkommensausfälle, die ein Unfall mit sich bringen kann, zu kompensieren.

Die meisten Unfälle passieren zudem in der Freizeit, und hier besteht normalerweise grundsätzlich kein gesetzlicher Unfallschutz. Die private Versicherungswirtschaft bietet diesbezüglich zahlreiche Lösungen an, um sowohl einen fehlenden gesetzlichen Versicherungsschutz als auch die eventuell durch Unfall oder Krankheit auftretenden Einkommenslücken trotz gesetzlichem Schutz abzusichern. Zu nennen sind hier eine private Unfall-, eine Erwerbs- oder Berufsunfähigkeits- oder auch eine Krankentagegeld-Versicherung.

Übrigens: Bei Streitigkeiten mit der Berufsgenossenschaft hilft auch eine private Rechtsschutz-Police weiter. Sie übernimmt beispielsweise die Prozesskosten wie zum Beispiel die Rechtsanwaltskosten. Wichtig ist, dass der Versicherte die Leistungszusage vom Versicherer bereits beim ersten Gang zum Anwalt einholt.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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