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Ma­schi­nen könn­ten Groß­teil der Scha­den­sach­be­ar­bei­ter er­set­zen

21.06.2017

„Künstliche Intelligenz“ und „Big Data“ sind Schlagworte, die einen Strukturwandel bei den deutschen Versicherern einläuten. Wer nicht mitmacht, wird wohl das Nachsehen haben, so das Fazit einer Tagung.

Die Automatisierung in der Versicherungsbranche dürfte immer rasanter voranschreiten. Dafür werden intelligente Maschinen eingesetzt. Zudem eröffnen neuartige Datenanalysen ein großes Sparpotential bei den Verwaltungskosten. Die Akzeptanz in der Versicherungswirtschaft ist aber noch verhalten, behaupteten Software-Anbieter auf einer Fachkonferenz.

Intelligente Maschinen können in der Verwaltung von Versicherungen immer mehr Routinearbeiten übernehmen. Vor allem die Schadenregulierung kann weitgehend automatisiert werden.

Jobst Landgrebe (Bild: Schmidt-Kasparek)
Jobst Landgrebe (Bild: Schmidt-Kasparek)

„Dann können die Versicherer auf 75 bis 85 Prozent ihrer Schadensachbearbeiter verzichten“, sagte Jobst Landgrebe, geschäftsführender Gesellschafter der Cognotek GmbH auf der „2. SZ-Fachkonferenz: Data Analytics und Big Data in der Assekuranz“ in Köln.

Umsetzung in drei Jahren

Ein solcher Stellenabbau ist nach Einschätzung des Experten in rund drei Jahren möglich. Umfangreiche Digitalisierungs-Prozesse gibt es aber nach Ansicht von Landgrebe noch längst nicht bei allen deutschen Versicherern.

Der Systemverkäufer rügte die Branche energisch. So würden die meisten Versicherungs-Gesellschaften einer Automatisierung mit künstlicher Intelligenz (KI) noch ablehnend gegenüberstehen.

„Aus vielen Häusern kenne ich Leute, die sich gegen diese Sachen wehren“, so Landgrebe. Dabei komme der Widerstand oft nicht aus der Unternehmensleitung, sondern aus der Ebene der Bereichsleiter. Im Gegensatz zur Autoindustrie sei scheinbar der Kostendruck bei den Versicherern noch nicht so stark.

Aktuell arbeitet Cognotek mit der R+V Versicherungsgruppe, der SV Sparkassenversicherung Holding AG und einer gesetzlichen Krankenkasse zusammen. Zudem liefert das Unternehmen für eine „aktuelle Neugründung eines Versicherers“ die Software. Vor allem im Schadenbereich verspricht Landgrebe hohe Kostenersparnis.

Glas- und Blechschäden automatisch regulieren

„Wir können Glasschäden in der Kfz-Versicherung bereits vollautomatisch abwickeln – und bei Blechschäden liegt der Automatisierungsgrad bei 60 Prozent“, so der Cognotec-Geschäftsführer. Auch in Kundenschreiben gibt es nach Erkenntnis von Landgrebe wichtige Daten, die für Versicherer einen hohen Mehrwert darstellen. Zwar würden die Schreiben heute bei vielen Anbietern abfotografiert und digitalisiert, doch noch ganz wenig einer umfassenden Analyse unterzogen.

„Diese Texte sind ein Paradies für Big Data“, behauptet Landgrebe. Hier könnten über eine Mustererkennung wichtige Informationen für die Vertriebs- und die Schadenabteilung herausgefiltert werden. Die Versicherer würden ihre Big-Data-Schätze nicht erkennen.

KI bei der Analyse von Kundenschreiben

Dass künstliche Intelligenz erfolgreich bei der Analyse von Kundenschreiben eingesetzt werden kann, zeigt ein Projekt, das die Versicherungskammer Bayern AG mit der IBM-Software Watson durchgeführt hat.

„Nach anfänglichen Problemen, erkennt nun das System automatisch, wenn Kunden im Schreiben Unmut äußern“, erläuterte VKB-Vorstandsmitglied Robert Heene. Das System zeige den Grad der Unmutsäußerung sogar auf einer Farbskala an.

Solche Kundenschreiben würden dann automatisch an speziell geschulte Sachbearbeiter weitergeleitet. „Wir können aber beruhigt sein, denn der Anteil an Unmutsschreiben liegt nur bei rund zwei Prozent“, so Heene.

Auch ein weiteres digitales Projekt, das in Kürze gestartet wird, soll dem Regionalversicherer helfen, Kunden besser einschätzen zu können. So werden alle Außendienstmitarbeiter mit einer App ausgestattet, die automatisch die Daten des Fahrzeugscheins einliest und so dem Kunden ein Angebot für seine Autoversicherung machen kann. Als Nebeneffekt würde der Versicherer deutlich mehr über die Ausstattung des Fahrzeuges erfahren.

Jan Müller (Bild: Schmidt-Kasparek)
Jan Müller (Bild: Schmidt-Kasparek)

Google hilft

Technische Hilfe für den Einsatz von künstlicher Intelligenz gibt es auch von der Google Germany GmbH. Das Unternehmen hat bei einem Versicherer bereits ein Pilotprojekt zu Schadenbearbeitung betreut.

In 85 Prozent der Fälle habe die Maschine automatisch die richtige Haftungsentscheidung getroffen.

„Big Data steht für großen Mehrwert, weil man große Datenmengen in Realtime verknüpfen kann“, sagte Jan Müller von Google. Er rät der Branche, unbedingt in eine solche Infrastruktur „stark zu investieren“.

Ähnlich sahen es diverse Tagungsteilnehmer: Versicherer, die jetzt nicht automatisieren und auf künstliche Intelligenz setzen, könnten bald schwere Wettbewerbsnachteile erleiden.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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