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Zahl­reiche Streit­punk­te bei der Be­triebs­ren­ten­re­form

27.03.2017

In der heutige Expertenanhörung zum Betriebsrenten-Stärkungsgesetz (BRSG) kristallisieren sich die Kernstreitpunkte heraus: Tarifexklusivität oder nicht, Garantieverbot oder nicht, Arbeitgeberbeiträge in voller Höhe der eingesparten Sozialbeiträge oder nicht.

Heute findet im Bundestag eine öffentliche Expertenanhörung zum Betriebsrenten-Stärkungsgesetz (BRSG) statt. Zu dieser sind neben den Akteuren der betrieblichen Altersversorgung (bAV) auch diverse Wissenschaftler, zahlreiche Gewerkschaften und Verbände geladen, die weit über 100 Seiten an Stellungnahmen eingereicht haben. Neben vielen Anregungen zu Verbesserungen im Detail kristallisieren sich mehrere Streitthemen heraus: Wie sinnvoll ist die Tarifexklusivität, wo doch viele zur Zielgruppe gehörende kleine und mittelgroße Unternehmen (KMUs) nicht tarifgebunden sind? Macht es Sinn, völlig auf Garantien zu verzichten? Und wie viel sollen die Arbeitgeber für ihre Enthaftung in die Zielrente als Gegenleistung einzahlen?

Die heutige öffentliche Expertenanhörung zum Betriebsrenten-Stärkungsgesetz (BRSG) durch den Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales stößt auf ungewöhnliches Interesse: Die Gästetribüne ist ausgebucht.

Dies liegt vielleicht auch daran, dass außer den eingeladenen Akteuren der betrieblichen Altersversorgung (bAV) und Wissenschaftlern zahlreiche Gewerkschaften und Verbände bis hin zu den Kirchen sich mit Stellungnahmen an der Diskussion beteiligt haben. Insgesamt liegen den Abgeordneten über 125 Seiten an Stellungnahmen vor.

Gewerkschaften mit punktueller Kritik

Über die harsche Kritik des Arbeitgeberlagers und die Wünsche der Versicherungswirtschaft hat die Redaktion bereits berichtet. Jetzt liegen auch die Stellungnahmen aus dem Gewerkschaftslager vor. Dem Tenor fast aller Stellungnahmen zufolge wird der neue Weg zur Stärkung der bAV über das Tarifpartnermodell mit reiner Beitragszusage und Enthaftung der Arbeitgeber begrüßt.

Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) darf aber das Kapitalmarktrisiko nicht einseitig den Beschäftigten angelastet werden. Der DGB wie auch die IG Metall und die Dienstleistungs-Gewerkschaft Verdi pochen in ihren Stellungnahmen darauf, dass die Arbeitgeber verpflichtet werden, alle bei der Entgeltumwandlung ihrer Arbeitnehmer eingesparten Sozialabgaben zu leisten.

Dass das BRSG Tarifexklusivität vorsehe, sei richtig, da nur so faire Bedingungen zu erreichen seien, unterstreicht der DGB. Allerdings wären Erleichterungen bei der Allgemeinverbindlichkeits-Erklärung (AVE) „von zentraler Bedeutung“, um eben nicht tarifgebundene KMUs einbinden zu können.

Aba mit diversen Nachbesserungswünschen

Die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. (Aba) ist zwar voll des Lobes für das neue Tarifpartnermodell, hat aber zugleich eine ganze Reihe von Nachbesserungswünschen.

„Abzuwarten bleibt, ob und inwieweit die Tarifpartner tatsächlich von den ihnen eingeräumten neuen Optionen Gebrauch machen und die neuen Möglichkeiten auch für nicht tarifgebundene Unternehmen, zu denen eine Vielzahl der KMU gehören, öffnen“, hinterfragt die Aba in ihrer Stellungnahme.

Die Ideengeber sehen viel Gutes aber auch Nachbesserungsbedarf

Zur Anhörung eingeladen sind auch die Gutachter, die im Vorfeld des BRSG vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) mögliche Lösungswege für eine Stärkung der bAV aufgezeigt hatten.

Dabei hebt Rechtsanwalt Dr. Marco Arteaga jetzt hervor, dass das BRSG das zentrale Element der bAV in Deutschland bewahre, nämlich die Freiwilligkeit und die Chance der individuellen Ausprägung. Eine Einheitsregelung für alle werde vermieden. Die droht allerdings die Bundesregierung an, wenn die Tarifpartner den Ball nicht aufgreifen. Für Arteaga ist auch ganz wichtig, dass die durchführenden Träger der neuen Betriebsrente „auf keinen Fall Garantien aussprechen dürfen“.

Professor Dr. Dirk Kiesewetter von der Universität Würzburg begrüßt den neuen Schritt zur reinen Beitragszusage. Um aber auch die KMUs einbinden zu können, bedürfe es noch klarerer Regelungen, auf welchen Weg dies gelingen könne.

Für ein striktes Garantieverbot plädiert auch der BVI Bundesverband Investment und Asset Management e.V. in seiner Stellungnahme. Dieses biete die Chance, in renditestärkere Kapitalanlagen zu gehen. Kritisch sieht der BVI die Tarifexklusivität.

Verbraucherschützer sind skeptisch

Die Verbraucherschützer können sich nur schwer mit dem Tarifpartnermodell anfreunden. „Altersvorsorge muss radikal vereinfacht werden“, schreibt der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (VZBV).

Bereits heute falle es dem Verbraucher schwer, sich im „Dschungel der unterschiedlichen Vorsorgeprodukte und ihrer förderrechtlichen Rahmenbedingungen zurechtzufinden.“ Der VZBV fordert ein Ende der Sozialabgabenfreiheit bei der Entgeltumwandlung und der Verbeitragung auf Leistungen der bAV.

Zu Wort kommen wird heute auch ein Praktiker, der das BRSG allerdings sehr kritisch sieht. Frank Oliver Paschen, Vorstandsvorsitzender der Dresdener Pensionskasse VVaG, glaubt, dass das Tarifpartnermodell am eigentlichen Ziel einer stärkeren Verbreitung der bAV „komplett“ vorbeigeht.

Bei Unternehmen mit Tarifbindung sei die bAV ohnehin schon extrem weit verbreitet. Dort schaffe man mit dem neuen BRSG nun eine neue Möglichkeit, „künftig Zusagen ohne die bewährten bisherigen Garantien zu schaffen und Risiken auf die Arbeitnehmer abzuwälzen“. Die Zielgruppe der nicht tarifgebundenen KMUs würde mit dem Gesetzvorhaben nicht oder nur über „komplexe Konstrukte“ erreicht.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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