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Studie: Deutsche Spa­rer ver­schen­ken 200 Mil­li­ar­den Euro

22.09.2016

Die Allianz hat die Entwicklung des Geldvermögens in über 50 Ländern untersucht. Wie Deutschland im internationalen Vergleich abschneidet.

Mit der neuen Auflage ihres „Allianz Global Wealth Report“ beleuchtet die Allianz SE erneut die Entwicklung des Vermögens privater Haushalte weltweit. Nach Einschätzung des Versicherers scheinen die „fetten Jahre“ des Vermögenswachstums vorbei. 2015 blieb das Plus deutlich hinter dem der Vorjahre zurück – insbesondere in der Vermögensklasse Versicherungen. Beim Netto-Geldvermögen landet die Bundesrepublik nur auf dem 18. Rang. Weiteres Ergebnis: Die deutschen Sparer verschenken durch eine zu risikolose Anlagestrategie Hunderte von Milliarden Euro.

Das Bruttogeldvermögen der privaten Haushalte ist im vergangenen Jahr weltweit um knapp fünf Prozent auf 155 Billionen Euro gestiegen.

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In den drei Jahren zuvor war das Wachstum mit im Schnitt neun Prozent fast doppelt so groß, wie die Allianz SE anlässlich der Veröffentlichung des jüngsten „Allianz Global Wealth Report“ mitteilte.

Dafür wurde die Vermögens- und Schuldenlage der privaten Haushalte in über 50 Ländern analysiert.

Die Verbindlichkeiten der privaten Haushalte wuchsen um 4,5 Prozent auf fast 39 Billionen Euro. Das Netto-Geldvermögen betrug demnach rund 116 Billionen Euro.

Deutschland in der Top 20

Deutschland liegt in der Rangliste der 20 reichsten Länder (Geldvermögen pro Kopf) mit knapp 47.700 Euro (plus 5,6 Prozent) an 18. Stelle, wie der Report weiter zeigt.

Spitzenreiter ist die Schweiz mit über 170.000 Euro Netto-Geldvermögen pro Kopf, gefolgt von den Vereinigten Staaten mit über 160.000 Euro.

Beim Brutto-Geldvermögen langte es für die Bundesrepublik zu Platz 20 (plus 4,6 Prozent auf knapp 68.000 Euro). In Front liegen hier ebenfalls die Schweiz (über 260.00 Euro pro Kopf) und die Vereinigten Staaten (gut 200.000 Euro pro Kopf).

Anteil von Versicherungen rückläufig

Unter den drei Vermögensklassen – Bankeinlagen, Wertpapiere sowie Versicherungen und Pensionsfonds – gab es den Daten des Reports zufolge unterschiedliche Entwicklungen. Im vergangenen Jahr verzeichneten Wertpapiere mit über 6,1 Prozent und Bankeinlagen mit 5,5 Prozent einen fast doppelt so hohen Zuwachs wie Versicherungen und Pensionsfonds.

Hier lag das Plus „nur“ bei 3,3 Prozent – nach 7,2 Prozent im Jahr zuvor. „In dieser Vermögensklasse werden die Verwerfungen der andauernden Niedrigzinspolitik immer deutlicher sichtbar“, wird in dem Bericht hervorgehoben.

Weltweit summierte sich der Bestand an Versicherungen und Pensionen auf fast 47 Billionen Euro. Das entspricht einem Anteil von einem knappen Drittel am gesamten Bruttogeldvermögen. Im Vergleich zu 2011 hat der Anteil allerdings um drei Prozentpunkte abgenommen.

Leicht geringer ist der Anteil der Bankeinlagen, der seit 2008 ebenfalls um drei Prozentpunkte geringer geworden ist. Wertpapiere steigerten ihren Anteil auf aktuell 40 Prozent.

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Die fetten Jahre sind wohl vorbei

Nach Ansicht von Oliver Bäte scheinen die „fetten“ Jahre im Vermögenswachstum insgesamt erst einmal vorbei zu sein, so der Allianz-Vorstandschef im Vorwort des Reports. Für Allianz-Chefvolkswirt Dr. Michael Heise verliert die „extrem expansive Geldpolitik auch als Treiber der Wertpapierpreise langsam an Wirkung“, wodurch ein wichtiger Faktor des Vermögenswachstums der letzten Jahre wegfalle.

„Gleichzeitig rutschen die Zinsen immer tiefer, bis weit in den negativen Bereich. Die Sparer befinden sich in einem echten Dilemma“, so Heise. Insgesamt werde die Frage nach der richtigen Vermögensanlage für die Sparer immer schwieriger.

Fehlendes Vertrauen in Finanzmärkte

Allerdings muss laut Bäte „auch das Sparverhalten der privaten Haushalte kritisch hinterfragt werden: Trotz Niedrigst- und Negativzinsen präferiert die Mehrzahl kurzfristige und sehr liquide Anlagen wie Bankeinlagen – deren Rendite bei null liegt. Langfristige Anlagen werden dagegen deutlich weniger dotiert“, konstatiert der Allianz-Chef.

In Europa etwa zögen private Haushalte noch immer Geld aus den Kapitalmärkten ab, so dass sich „Sparen“ bei genauerer Analyse vor allem als „Geldparken“ und nicht als Investieren entpuppe. Für Bäte ist dieses Verhalten „leicht nachvollziehbar“ – der Mehrheit der privaten Haushalte fehle auch sieben Jahre nach der Lehman-Pleite das Vertrauen in die Finanzmärkte.

Deutliche Unterschiede zwischen realer und nominaler Betrachtung

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In dem Report wurde auch ein Vergleich der direkten Einkommenswirkungen der Geldpolitik (Zinsgewinne beziehungsweise -verluste der privaten Haushalte aus den Veränderungen der Zinsen für Bankeinlagen und -kredite) im Euroraum in nominaler und realer Rechnung vorgenommen.

„Auf den ersten Blick profitieren die privaten Haushalte im Euroraum in nominaler Rechnung von der EZB-Politik kräftig: Seit 2012, dem Jahr der ‚Eurorettung‘ (‚whatever it takes‘), addieren sich die Salden der Zinsgewinne aus sinkenden Sollzinsen und Verluste durch entgangene Zinseinnahmen insgesamt auf einen positiven Wert von knapp 120 Milliarden Euro oder 350 Euro pro Kopf“, so die Studienautoren.

Dies gilt allerdings nicht für alle Mitglieder der Währungsunion. Denn für belgische und deutsche Haushalte stehe ein Minus zu Buche. Hier überwiege der Effekt der entgangenen Zinseinnahmen auf Einlagen. „Kurzum: Kreditnehmer profitieren, Sparer verlieren“, wird in dem Report herausgestellt.

In realer Rechnung – also bereinigt um die jeweilige nationale Inflationsrate – sind die Zinssalden in allen Ländern positiv. Nach Angaben der Studienautoren erzielen selbst die sparfreudigen belgischen und deutschen Haushalte einen Zinsgewinn, auch wenn dieser gerade einmal drei Euro pro Kopf betrage.

Schlechte Vermögensrenditen in Deutschland und Österreich

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Verglichen wurden ferner die realen Vermögensrenditen im Euroraum über die letzten vier Jahre. Hier schneiden Österreich und Deutschland am schlechtesten ab. Die dortigen Sparer bezahlen ihre eher konservative und abwartende Anlagestrategie nach Angaben der Studienautoren mit einer relativ niedrigen Vermögensrendite.

Wenn die „deutschen Haushalte in den letzten vier Jahren nicht etwa 40 Prozent ihres Geldvermögens mit Verlust bei den Banken geparkt […] [hätten], sondern ‚nur‘ 30 Prozent, und die so frei gewordenen Mittel je zur Hälfte auf Aktien und Investmentfonds verteilt, wäre die Vermögensrendite in diesem Zeitraum um nahezu einen vollen Prozentpunkt höher ausgefallen“, wird hervorgehoben. Damit hätten allein die deutschen Haushalte zusätzliche Vermögenseinnahmen von rund 200 Milliarden Euro erzielen können.

„‚Angstsparen‘ ist in Zeiten extremer Geldpolitik und daraus resultierender großer Unsicherheit verständlich, aber teuer. Wollen die Sparer auch in diesem Umfeld respektable Renditen erzielen, kommen sie nicht umhin, ihr Anlageverhalten anzupassen und auch höhere Risiken in Kauf zu nehmen“, so das Fazit der Studienautoren.

Die 126-seitige Studie steht unter diesem Link kostenfrei als PDF-Dokument zum Download bereit.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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