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Das kos­tet die häus­li­che Pfle­ge von An­ge­hö­ri­gen

19.06.2017

Wie viel Zeit und finanzielle Mittel Pflegehaushalte monatlich aufwenden müssen, ermittelte die Hans-Böckler-Stiftung in einer Befragung von über 1.000 betroffenen Haushalten.

Häusliche Pflege ist Frauensache. Das fand die Hans-Böckler-Stiftung in einer kürzlich veröffentlichten Befragung von über 1.000 Pflegehaushalten in Deutschland heraus. Am häufigsten pflegen Töchter ihre Eltern oder Ehefrauen ihre Männer. Der zeitliche sowie der finanzielle Aufwand für Pflegetätigkeiten steigen mit der Pflegestufe des Bedürftigen.

In der Studie „Pflege in den eigenen vier Wänden: Zeitaufwand und Kosten“ der Hans-Böckler-Stiftung untersuchen die Autoren die zeitlichen und finanziellen Aufwendungen privater Haushalte für die häusliche Versorgung von Pflegebedürftigen.

Die empirische Untersuchung wurde von November 2015 bis Juni 2016 durchgeführt. In die Auswertung wurden Befragungsergebnisse von 1.024 Pflegehaushalten in Deutschland einbezogen. Um an die Adressen der Haushalte mit Pflegebedarf zu gelangen, kooperierte die Stiftung mit fünf regionalen Allgemeinen Ortskrankenkassen und vier Ersatzkassen. Die Krankenkassen setzten sich dann mit 21.000 in Frage kommenden Versicherten in Kontakt. Die letztendliche Befragungen erfolgten telefonisch.

In der Studie wird aufgrund des Untersuchungszeitraums noch auf die bis Ende 2016 geltenden Pflegestufen null, I, II und III verwiesen. Seit dem 1. Januar 2017 jedoch erfolgt nunmehr gemäß der Pflegereform und dem seit 2016 geltenden Zweiten Pflegestärkungsgesetz (PSG II) eine Einstufung in fünf Pflegegrade.

Wer pflegt seine Angehörigen und welche Hilfe zieht er heran?

Die Autoren fanden heraus, dass die häusliche Pflege in Deutschland vorrangig von einer Hauptpflegeperson geleitet, organisiert und arrangiert wird. Am häufigsten pflegt dabei die Tochter (29 Prozent) des Pflegebedürftigen in privatem Umfeld. Auf dem zweiten Platz folgt die Ehefrau (26 Prozent) und auf dem dritten Platz der Ehemann (22 Prozent). Söhne übernehmen diese Aufgabe in zehn Prozent der Pflegehaushalte.

Pflegende Person (Bild: Böckler-Stiftung)
Töchter und Ehefrauen pflegen am häufigsten ihre Angehörigen. Zum Vergrößern Bild klicken (Bild: Böckler-Stiftung)

Die Hauptpflegeperson ist im Durchschnitt knapp 67 Jahre alt. Pflegt eine männliche Person ihre Angehörigen, so war diese mit durchschnittlich 72 Jahren acht Jahre älter als bei weiblichen Pflegenden (64 Jahre). Dieser Altersunterschied hängt damit zusammen, dass am häufigsten die Töchter die Pflegetätigkeiten übernehmen. Die pflegenden Kinder sind im Schnitt 58 Jahre alt, Ehepartner circa 76 Jahre alt.

20 Prozent der Befragten gaben an, ihren Angehörigen ohne informelle (Freunde, Nachbarn) oder professionelle Hilfe – also demnach ganz allein – zu pflegen. Dabei zeigte sich, dass vor allem die Generation der Eheleute allein für den pflegebedürftigen Partner sorgt. Die jüngeren Familienangehörigen, wie Kinder oder Schwiegerkinder, holen sich indes häufiger professionelle Hilfe von außerhalb.

Die externe Hilfeleistung, die dann am häufigsten herangezogen wird, sind ambulante Pflegedienste. Ihre Inanspruchnahme steigt mit der Pflegestufe deutlich an. Unabhängig von der Pflegestufe des Bedürftigen gab durchschnittlich jeder dritte Pflegehaushalt an, eine Putzkraft engagiert zu haben.

So viel Zeit nimmt häusliche Pflege in Anspruch

Der durchschnittliche Zeitaufwand, den Pflegende aufbringen, entspricht in etwa dem eines Vollzeit-Arbeitsplatzes, heißt es in den Studienunterlagen. 90 Prozent der Arbeit, die zur Versorgung eines Angehörigen geleistet werden muss, übernimmt die Hauptpflegeperson. Die restlichen zehn Prozent werden von professionellen Dienstleistern übernommen.

Jeder zwölfte deutsche Pflegehaushalt leistet sich zudem eine zumeist osteuropäische Hilfskraft, die im Haushalt wohnt und bei den Pflegetätigkeiten unterstützt oder sie übernimmt. Dies gebe es vorrangig in Haushalten, die über ein hohes Einkommen verfügen und dessen Pflegebedürftiger einen sehr hohen Betreuungsbedarf habe, erläutern die Autoren.

Dabei stießen die Studienherausgeber auf ein soziales und arbeitsrechtliches Problem. Denn die ausländischen Hilfskräfte verrichten die teils anstrengende Arbeit zu einem sehr geringen Stundenlohn. Die Autoren vermuten, dass der Einsatz dieser billigen Kräfte mit der steigenden Zahl Pflegebedürftiger künftig weiter wachsen werde.

20 Cent Stundenlohn für Hauptpflegenden

Mit steigender Pflegestufe wachsen auch die finanziellen Belastungen, die Pflegehaushalte aufbringen müssen. Dabei entstehen nicht nur Kosten für professionelle Hilfeleistungen, Medikamente und Therapien. Auch für informelle Helfer und für die Hauptpflegepersonen entstehen Kosten, geht aus den Studienunterlagen hervor.

Informellen Helfern und dem Hauptpflegenden kommen auf Grundlage der befragten Haushalte rund 81 Euro monatliche Aufwandsentschädigung zu. Die Hauptpflegeperson kann mit nur 42 Euro im Monat rechnen. „[B]ei einer zeitlichen Belastung von rund 200 Stunden im Monat läge ein theoretischer ‚Stundenlohn‘ bei rund 20 Cent“, berechneten die Autoren.

Rechnet man alle Kosten zusammen, kommen laut Studienaussagen für jeden Pflegehaushalt monatliche Kosten in Höhe von 362 Euro zusammen. Sie steigen mit der Pflegestufe von 122 Euro (keine Pflegestufe) auf 682 Euro (Pflegestufe III) an. Von Pflegestufe II zu III verdoppeln sich zudem die Kosten für professionelle Hilfsleistungen, die die häusliche Versorgung gewährleisten, von knapp 200 auf etwas über 400 Euro.

Aufwendungen (Bild: Böckler-Stiftung)
Je höher die Pflegestufe des Bedürftigen desto höher die monatlichen Kosten. Zum Vergrößern Bild klicken (Bild: Böckler-Stiftung)

So viel Geld haben Pflegehaushalte monatlich zur Verfügung

Des Weiteren haben die Studienautoren Daten zum monatlichen Haushalts-Nettoeinkommen ermittelt. Dafür sollten die Befragten alle ihre monatlich verfügbaren Einkünfte (inklusive Renten, Arbeitseinkünfte, Pflegegeld, Kindergeld, Mieteinnahmen, Einkünfte aus Kapitalvermögen) der im Haushalt lebenden Erwachsenen nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungs-Beiträgen beziffern.

Im Mittel kommen Pflegehaushalte mit 2.392 Euro im Monat aus (Median: 2.000 Euro). Fünf Prozent der befragten Haushalte gaben jedoch an, weniger als 900 Euro zur Verfügung zu haben, während weitere fünf Prozent über mehr als 5.000 Euro im Monat verfügen können.

Ein Fünftel für Aufwendungen der häuslichen Pflege

Je höher die Pflegestufe des Bedürftigen war, desto höher war auch das Haushaltseinkommen im Durchschnitt. Es liegt in Pflegestufe III bei 2.987 Euro. Die Autoren vermuteten zunächst, dass dies daran liegen könnte, dass die Haushalte mit höherer Pflegestufe auch über höhere Pflegegeldbezüge verfügen. Doch auch nachdem die Pflegegelder aus den Einnahmen herausgerechnet wurden, zeigte sich weiterhin ein signifikantes Einkommensgefälle zwischen den Pflegestufen.

Einkommen (Bild: Böckler-Stiftung)
Das Einkommen steigt mit der Pflegestufe. Zum Vergrößern Bild klicken
(Bild: Böckler-Stiftung)

Zudem bezog über ein Drittel der Haushalte gar kein Pflegegeld. Ein Ansatz, der für die Autoren eine plausible Erklärung bietet, sei, dass es „wirtschaftlich stärkeren Haushalten besser [gelingt], eine angemessene Pflegeeinstufung durchzusetzen, damit ein häusliches Versorgungssetting aufzubauen und bei steigendem Pflegebedarf auch stabil zu halten.“ Im Durchschnitt fließt ein Fünftel des Haushaltseinkommens in Aufwendungen der häuslichen Pflege.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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