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INSM be­fürch­tet bei Ren­ten­re­form fal­sche Wei­chen­stel­lung

28.10.2016

Ist Altersarmut ein gravierendes Problem oder droht nur eine Zunahme aufgrund der Berechnungsmethode? Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft hat gestern vor dem Reformvorhaben gewarnt.

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) hat sich gestern in Berlin kritisch zu den von Arbeitsministerin Andrea Nahles geplanten Reformen geäußert. Unterstützung fand die INSM dabei bei Professor Dr. Christian Hagist, der nur kleine Veränderungen am Rentensystem will, und dem FPD-Politiker Hermann Otto Solms. Sie sprachen sich für eine über das 67. Lebensjahr hinausgehende verlängerte Regelalterszeit aus. Zudem sollten die Zulagen zur Riester-Rente umgeschichtet werden.

Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) will am Montag kommender Wochen ihren Rentendialog mit einem Spitzengespräch mit den Fachverbänden in der Altersvorsorge, Verbraucherschützern und Wissenschaftlern abschließen. Im November will sie dann ein Reformprogramm vorlegen, das alle drei Säulen der Altersvorsorge umfasst.

Die wirtschaftsnahe Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) befürchtet, dass die von Nahles angestrebten Reformen nur teuer und zulasten der Generationen-Gerechtigkeit gehen werden. Sie warnte gestern vor der Presse in Berlin davor, mit der Rentenreform wieder auf Stimmenfang bei den älteren Wählern gehen zu wollen.

Christian Hagist (Bild: Brüss)
Christian Hagist (Bild: Brüss)

Lücke von 83 Milliarden Euro

Von den Nahles-Reformen sei nichts Gutes zu erwarten, sagte INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr. Denn bis zum Jahr 2040 werde sich eine Lücke in der Rentenversicherung von 83 Milliarden Euro auftun, während zugleich sieben Millionen Beitragszahler fehlen würden. Die Generationen-Gerechtigkeit drohe auf der Strecke zu bleiben.

Kritisiert wurde insbesondere die von Ministerin Nahles bei der gesetzlichen Rentenversicherung ins Spiel gebrachte „Haltelinie“ beim Rentenniveau. Ein sinkendes Rentenniveau bedeute keineswegs sinkende Renten, unterstrich Professor Dr. Christian Hagist vom Lehrstuhl für generationen-übergreifende Wirtschaftspolitik an der Otto Beisheim School of Management.

Derzeit liegt das Rentenniveau bei 47,8 Prozent. Nach den bestehenden Regeln darf es bis zum Jahr 2030 nicht unter 43 Prozent absinken.

Hagist: Haltelinie beim Rentenniveau kein Mittel gegen Altersarmut

Für Hagist ist auch klar, dass mit einer Haltelinie beim Rentenniveau keine Erfolge gegen Altersarmut erzielt werden können. Hagist wie auch der FDP-Politiker Hermann Otto Solms sehen derzeit kein Problem mit der Altersarmut. „Wir haben keine Altersarmut, nur die Drohung damit“, sagte Solms.

Hagist zog auch die Definition von Armut in Zweifel. Wer ein Einkommen von weniger als 60 Prozent des Median-Einkommens bezieht, gilt derzeit als armutsgefährdet. Das heiße aber auch, wenn sich der Median nach oben verschiebe, gebe es mehr armutsgefährdete Personen, erläuterte Hagist.

Hermann Otto Solms (Bild: Brüss)
Hermann Otto Solms (Bild: Brüss)

Riester-Zulagen umschichten

Menschen mit geringem Einkommen wäre viel mehr geholfen, wenn bei der staatlich geförderten Riester-Rente die Zulagen umgeschichtet würden. Es wäre besser, bei Gutverdienern zu reduzieren und bei Geringverdienern zuzulegen. Dies würde allerdings Geld kosten, da man bei Riester-Sparern im Bestand nicht kürzen dürfe, sagte Hagist.

Daneben waren sich die Diskutanten einig, dass es in der zweiten und dritten Säule der Altersvorsorge Freibeträge beim Bezug von Grundsicherung geben sollte. Soweit bisher bekannt, ist dies ein Reformziel von Ministerin Nahles beim Betriebsrenten-Stärkungsgesetz, das in Kürze vorgelegt werden soll. Wünschenswert wäre dies dann auch bei der staatlich geförderten Riester-Rente.

Hagist und Solms sprachen sich für eine über das 67. Lebensjahr hinausgehende verlängerte Regelalterszeit aus, die aber durch die Möglichkeit, bereits ab dem 60. Lebensjahr in Rente gehen zu können, attraktiver gestaltet werden sollte.

Pflichtversicherung für Soloselbstständige

Die FDP hat mehrheitlich für eine Pflicht zur Versicherung bei Soloselbstständigen plädiert, wobei diese ihre Versicherungsform frei wählen können sollen. Eine Ausnahme soll in den ersten Jahren für Start-up-Unternehmen gelten. Solms sagte, er habe diesen Beschluss allerdings nicht mitgetragen.

Auf der Agenda von Ministerin Nahles steht bei der gesetzlichen Rentenversicherung unter anderem auch eine Änderung des Nachhaltigkeits-Korridors bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, der regelt, wann es zu Beitragssenkungen oder Beitragserhöhungen kommen muss. Schafft man die Obergrenze komplett ab, könnte die Rentenversicherung für die erwartete Babyboomer-Generation, die sich langsam dem Rentenalter nähert, Rücklagen aufbauen.

Bei der betrieblichen Altersversorgung (bAV) zeichnet sich ab, dass es eine neue Zielrente ohne Garantien mit reinen Beitragszusagen geben wird, die den Arbeitgeber haftungsfrei stellt. Geringverdiener sollen über direkte staatliche Zuschüsse zur Teilnahme an der bAV ermutigt werden.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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