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Digitalisierung ist bei Ver­mitt­lern noch nicht an­ge­kom­men

30.08.2016

Die Produktschwerpunkte bei Versicherungs-Vermittlern haben sich einer neuen Studie zufolge kräftig verlagert. In dieser wurde auch untersucht, wie der Vertrieb technisch aufgestellt ist.

Unter den Versicherungs- und Finanzvermittlern gibt es nach wie vor einen relativ hohen Anteil an Technikverweigerern, wie eine Untersuchung von Mindtrace Stieber Beratung ergeben hat. Bei den genutzten Geräten steht die technische Ausstattung für den Einzelnen im Vordergrund, Vernetzung ist eher die Seltenheit. Unsicherheiten, zu geringes Know-how und Angst vor Fehlinvestition stehen einer weiteren Digitalisierung im Wege.

Die Mindtrace Stieber Beratung GbR hat gestern erste Daten aus ihre Studie „Qualitätsaudit 2016 –Digitalisierung – Vermittlung von Finanzdienstleistungen“ veröffentlicht. Grundlage der Untersuchung sind 1.123 ausgefüllte Fragebögen von Versicherungs- und Finanzvermittlern, darunter 854 Versicherungsmakler. Die Befragung wurde im Sommer 2015 durchgeführt.

Nachwuchsprobleme

Das Durchschnittsalter der befragten Vermittler lag den Angaben zufolge bei 48,9 Jahren. Dies korrespondiert mit anderen Vermittlerbefragungen, in denen teilweise sogar ein noch „gehobeneres“ Durchschnittsalter ausgewiesen wird. Offizielle Zahlen zum Vermittleralter gibt es nicht.

Die Studienautoren stellen heraus, dass die Gruppe der 46- bis 55-jährigen Vermittler aktuell um zwölf Prozentpunkte größer ist als diejenige der 36- bis 45-Jährigen. Beim „Qualitätsaudit 2010 – Versicherungs-Vermittlung“ war es nur ein Prozentpunkt.

„Die Branche hat eindeutig Schwierigkeiten, für ausreichend Nachwuchs zu sorgen“, so die Schlussfolgerung der Beratungsgesellschaft. Als weiteres Indiz für eine Überalterung heben die Studienautoren hervor, dass offenbar zunehmend über das 65. Lebensjahr hinaus gearbeitet werde. Im Vergleich zur Studie sechs Jahre zuvor habe die Zahl der Befragten um 2,4 Prozent zugenommen.

Leben verliert an Bedeutung

Im Rahmen der Untersuchung wurde die Vermittler unter anderem gefragt, welche Versicherungs- und Finanzprodukte vertrieben werden. Auf den größten Anteil an Nennungen kamen Sachversicherungen für Privatkunden, die im Vergleich zur Vorgängerstudie leicht zulegten.

Interessant, wenn auch nicht wirklich überraschend ist die Tatsache, dass einzig Lebensversicherungen im Vergleich zu vor sechs Jahren seltener vermittelt werden. Für die Mindtrace Stieber Beratung scheinen die Diskussionen zu dieser Produktgruppe erste Wirkungen zu zeigen. Wegen der LVRG-bedingten rückläufigen Provisionseinnahmen sei es „nachvollziehbar, dass auf andere Produkte ausgewichen wird, um die gesunkenen Einnahmen auszugleichen.

Auf einen deutlichen größeren Anteil an Nennungen kam auch die gewerbliche Sachversicherung. Die Rechtsschutz-Versicherung hatte ebenfalls starke Zugewinne zu verzeichnen. Ein sehr großes Plus gab es auch bei Bausparverträgen aus dem Bereich der Nicht-Versicherungsprodukte.

Bild: Mindtrace Stieber Beratung
Zum Vergrößern Bild klicken (Bild: Mindtrace Stieber Beratung)

„Grundsätzlich fällt auf, dass über die Gesamtzahl der Produkte die Nennungen zugenommen haben“, stellt die Unternehmensberatung als weitere Erkenntnis heraus. Dies bedeute, dass die Diversifikation im Produktbereich und damit auch die Komplexität in den vergangenen sechs Jahren zugenommen haben, was sich auch in den technischen Gegebenheiten der Unternehmen widerspiegeln sollte. Denn mit den Mitteln der Digitalisierung könne die erhöhte Komplexität besser bewältigt werden.

Jeder neunte Vermittler ist Technikmuffel

Dies ist allerdings nur bedingt der Fall. Zwar nutzen jeweils um die zwei Drittel der Befragten beruflich ein Notebook, einen Desktop-PC oder ein Smartphone – und auch Tablets gehören mittlerweile für vier von zehn Befragten zu den beruflich genutzten technischen Geräten.

Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass es immer noch eine nicht zu vernachlässigende Zahl an Vermittlern gibt, die mobil – also außerhalb ihres Büros – nicht zu erreichen sind. Hinter der „überraschend“ hohen Zahl (zwölf Prozent) derjenigen, die hier keine Angaben machten, verbirgt sich laut der Unternehmensberatung „eine Gruppe von Menschen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit keine Technik nutzen.“

Da in der Studie vor sechs Jahren immerhin elf Prozent Vermittler keine Technik nutzte, sei dies eine Entwicklung, die unter dem Aspekt der Digitalisierung und auch der Komplexitätszunahme nicht zielführend sein könne. Denn diese Personengruppe habe in der Vorgängerstudie überwiegend nur sehr geringe Einkünfte erzielt.

Die Mindtrace Stieber Beratung hebt zudem hervor, dass bei den genutzten Geräten die technische Ausstattung für den Einzelnen im Vordergrund stehe. Nur in geringem Umfang sei hingegen die technische Ausrüstung vorhanden, die für eine Daten-Fernnutzung oder die Zusammenarbeit in einem Büro. „Offenkundig haben die Vermittler und Berater von Finanzdienstleistungen den Nutzen einer Datenhaltung im Netzwerk noch nicht erkannt“, so die Studienautoren.

Viele eigene Systeme für Kundenverwaltung

Bei der Verwaltung der Kundendaten hat das Beratungshaus „gravierende“ Veränderungen im Vergleich zur Vorgängerstudie ausgemacht. Während sich der Anteil von Agentur- und CRM-Systemen mehr als halbiert hat, wurde Poolsoftware mit aktuell gut 36 Prozent deutlich häufiger genannt.

Dies könnte auch damit zusammenhängen, dass die befragten Vermittler aus dem Kreis der Informationsempfänger der Fonds Finanz Maklerservice GmbH stammen. Vor sechs Jahren waren es Abonnenten der Zeitschrift Asscompact.

Ebenfalls signifikant zugenommen hat die Nutzung eigener Systeme, wie aktuell fast 43 Prozent angaben. Damit sind im Umkehrschluss über die Hälfte der eingesetzten Systeme nicht zu einem Datenaustausch über eine Standardschnittstelle (GDV oder Bipro) in der Lage, wird hervorgehoben. Zur Gewährleistung durchgängig digitalisierter, papierloser Abläufe seien solche Schnittstellen aber unabdingbar erforderlich.

Jeder 20. Befragte arbeitet vollständig papierlos

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass das papierlose Vermittlerbüro noch in ferner Zukunft liegt. Denn nur rund jeder 20. Befragte arbeitet eigenem Bekunden nach vollständig papierlos. Dies macht für die Studienautoren das Dilemma deutlich, dass die gesamte Abwicklung der Beratung und Vermittlung nach wie vor von Medienbrüchen geprägt.

Dies liegt aber nicht nur im Verantwortungsbereich der Vermittler, sondern ist „zu einem Gutteil auch darin begründet, dass bislang zahlreiche Produktanbieter eine Unterschrift auf Papier fordern, obwohl dies gesetzlich nicht erforderlich wäre“, erläutert die Mindtrace Stieber Beratung.

Weiteres Ergebnis: Bei der Übermittlung der gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen an den Kunden nutzen zwar sieben Prozentpunkte weniger als vor sechs Jahren, aber immer noch fast zwei Drittel die Papierform. Rund jeder fünfte Befragte nutzt hier mittlerweile den Internetabruf, den das Beratungshaus für die „sinnvollste und sicherste Lösung“ zur Übermittlung von Unterlagen mit personenbezogenen Daten an den Kunden hält.

Auch in der Bestandsarbeit ist die Papierform (auch in Verbindung mit der Post) weit verbreitet, wie fast drei Viertel der Befragten angaben. Häufiger wird nur die E-Mail genannt. Dieses Vorgehen halten die Studienautoren wegen der sehr niedrigen Rückläuferquoten für „höchst ineffizient“. Diese lägen nur zwischen zwei und zehn Prozent, so die Unternehmensberatung unter Verweis auf die eigene Beratungspraxis.

Elektronische Unterschrift: Nutzung ausbaufähig

Die kostengünstigen und effizienten Lösungen über ein Internet-Postfach und die elektronische Unterschrift werden hingegen nur vergleichsweise selten genannt. Dabei liegt die Erledigungsquote bei rund 50 Prozent, da der Kunde den Vorgang unkompliziert zu Hause an seinem Computer erledigen kann, so die Studienautoren.

Weiter ist das Beratungshaus der Frage nachgegangen, warum nur jeder fünfte Befragte die elektronische Unterschrift nutzt, obwohl über 90 Prozent die Möglichkeit dazu bekannt ist. Am häufigsten für die vergleichsweise seltene Nutzung wird das fehlende Know-how genannt, gefolgt von zu hohem Aufwand beziehungsweise Komplexität sowie dem mangelnden Software-Angebot.

Große Unsicherheit

Als wesentliche Erkenntnis der Untersuchung heben die Studienautoren hervor, dass die Digitalisierung bei den Beratern und Vermittlern von Finanzdienstleistungen noch nicht angekommen ist. Zwar werde deutlich die Notwendigkeit gesehen, etwas tun zu müssen. Dem stehe jedoch ein vielfältiges Motivationsbündel entgegen, nicht zu tun.

So hat die Mindtrace Stieber Beratung insgesamt eine große Unsicherheit in Bezug auf neue Technologien ausgemacht, die Vermittler von Investitionen in die weitere Digitalisierung abhält. So sind sich viele Befragte nicht sicher, welche Technik beschafft werden muss, damit eine Verbesserung erreicht werden kann. Weit verbreitet ist auch die Angst vor Fehlinvestitionen.

Wie das Beratungshaus weiter herausstellt, sehen die befragten Vermittler die Kostenvorteile der Digitalisierung vor allem bei den Produktanbietern. Bei zusätzlichen Investitionen zur Verbesserung der Situation wollen sie an den Kostenvorteilen der Produktanbieter teilhaben.

Mit dem Thema Digitalisierung im Vertrieb beschäftigt sich auch das gestern erschienene VersicherungsJournal Extrablatt 3|2016 „Mobil und digital – Tückische Technik oder Segen im Vertrieb?“.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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