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Ist die Bür­ger­ver­si­che­rung der Tur­bo zur Zwei-Klas­sen-Me­di­zin?

21.06.2017

Die Linksfraktion will die Diskussionen über die Einführung einer Bürger-Krankenversicherung wieder aufleben lassen. Der Gesundheitsausschuss des Bundestags befasst sich heute in öffentlicher Anhörung mit dem Thema.

Die Linkfraktion will mit ihrem Antrag für eine solidarische und gerechte Finanzierung von Gesundheit und Pflege den Weg in die Bürger-Kranken- und Bürger-Pflegeversicherung ebnen. Der Gesundheitsausschuss des Bundestags hat dazu heute zu einer öffentlichen Expertenanhörung eingeladen. Eine klare Ablehnung kommt nicht nur vom PKV-Verband , sondern auch von der Ärzteschaft und den Arbeitgebern. Für die Bundesärztekammer wäre eine Einheitsversicherung „der Turbo-Lader für die Zwei-Klassen-Medizin“. Die Stellungnahme des GKV-Spitzenverbands überrascht dagegen, da sich der Verband in den zentralen Fragen gar nicht positioniert hat.

Der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags hat zum Antrag der Linksfraktion (Bundestagsdrucksache 18/11722) für heute Nachmittag die Sachverständigen (zehn Verbände und vier Wissenschaftler) zu einer lediglich einstündigen Anhörung eingeladen.

Die Linke will, dass die Privatversicherten zu einem Stichtag in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) aufgenommen werden, die Beitragsbemessungs-Grenze aufgehoben, die paritätisch Finanzierung wieder hergestellt und alle Einkommensarten wie etwa Zinsen verbeitragt werden.

Für die Bundesärztekammer wäre der Weg in die Einheitsversicherung „der Turbo-Lader für die Zwei-Klassen-Medizin“. In dieser würden sich die Menschen, die es sich leisten könnten, exklusiven Zugang zur Spitzenmedizin als Selbstzahler oder durch teure Zusatzversicherungen verschaffen.

Die von den Linken für Deutschland behauptete, bereits bestehende Zwei-Klassen-Medizin gebe es überhaupt nicht, stellt die Bundesärztekammer in ihrer Stellungnahme fest. Alle Patienten hätten unabhängig von ihrer Versichertenart Zugang zu notwendigen ärztlichen Behandlungen und Untersuchungen.

PKV-Verband: Einheitssystem…

Der Verband der privaten Krankenversicherung e.V. (PKV-Verband) weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass das von der Linkfraktion vorgeschlagene Modell in wesentlichen Punkten verfassungsrechtlich gar nicht umsetzbar sei.

Dies gelte etwa für die Idee, sämtliche Bestandsversicherte der PKV zu einem Stichtag in die Bürgerversicherung zu überführen. Die Linke ignoriere auch die Diskussionen im „Bürgerversicherungs-Lager selbst, wo man sich mehrheitlich in Anerkennung der verfassungsrechtlichen Hürden längst von einem solchen utopischen Modell verabschiedet hat“.

Die Abschaffung der PKV im bewährten dualen System und die Transformation der GKV zu einer de facto Einheitskasse würden den Zusatzbeitrags-Wettbewerb und die heute bestehenden wettbewerbliche Elemente eliminieren.

Die Versicherten hätten dann nach Aufhebung aller Zuzahlungen – ein Volumen von etwa vier Milliarden Euro – keinerlei Eigenverantwortung mehr. „Der heutige Systemwettbewerb zwischen GKV und PKV wäre in diesem Szenario Geschichte.“

…kennt keinen Wettbewerb mehr

Die Fraktion Die Linke ignoriere bei ihren Thesen nicht nur, dass in einer Bürgerversicherung neue Beitragszahler auch gleichzeitig neue Leistungsempfänger seien.

„Vor allem ignoriert sie den demografischen Wandel und den ohnehin schon programmierten Druck auf den Beitragssatz in einem umlagefinanzierten System in Folge der Alterung der Versicherten“, schreibt der PKV-Verband. Die Ausgaben für Gesundheit und Pflege seien nun einmal stark altersabhängig. Deshalb gebe es in der PKV ja die Alterungsrückstellungen.

GKV-Spitzenverband präsentiert sich meinungslos

Der GKV-Spitzenverband verweist in seiner Stellungnahme darauf, dass Entscheidungen grundsätzlicher Art vom paritätisch aus Versicherten- und Arbeitgebervertretern besetzten Verwaltungsrat getroffen würden. Zur grundsätzlichen Frage zur „Abschaffung der privaten Krankenvollversicherung hat sich der GKV-Spitzenverband bis dato nicht positioniert.“

Keine Position gibt es auch zur Frage der Ausgestaltung der Beitragsbemessungs-Grenzen und der Beitragsbemessungs-Grundlagen. Und dies gelte auch für die Frage zu einer Rückkehr zur paritätischen Finanzierung in der Krankenversicherung.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zeigt dagegen klare Kante: „Alle bekannten Bürgerversicherungs-Modelle sind wachstums- und beschäftigungsfeindlich und daher abzulehnen.“ Dies gelte auch für die Vorlage der Linksfraktion.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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