Open Nav Beratung anfordern

Wenn ein Sa­ni­täter eine ärzt­liche Fehl­dia­gno­se trifft

22.09.2016

Rettungssanitäter stehen grundsätzlich unter dem Druck zu entscheiden, wann ein Notarzteinsatz erforderlich ist und wann nicht. Wie weit dabei ihr Ermessenspielraum ist, darum ging es kürzlich in einem Gerichtsverfahren.

Wenn ein Notfallpatient über Brustschmerzen klagt, darf ein Sanitäter nicht eigenmächtig entscheiden, was die Ursache sein könnte. Da bei einem möglichen Herzinfarkt jede Minute zählt, muss der Patient auf jeden Fall ärztlich versorgt werden. Bei einem Fehler greift die Amtshaftung. Dies hat der 20. Zivilsenat des Kammergerichts Berlin in einem Urteil vom 19. Mai 2016 entschieden (20 U 122/15).

Ein Mann hatte morgens um kurz vor sieben Uhr den Notdienst der Berliner Feuerwehr alarmiert, weil er erhebliche Atembeschwerden und Schmerzen im Brustbereich hatte.

Verweis an den Hausarzt

Die beiden Rettungssanitäter stellten den Puls, den Blutdruck und die Sauerstoffsättigung fest und kamen laut Protokoll zu dem Ergebnis, dass es sich dabei um Intercostalschmerzen, also die Einklemmung von Nerven, handele, nicht um einen Herzinfarkt.

Deshalb ließen sie den Mann zu Hause und empfahlen ihm, zu seinem Hausarzt zu gehen. Dieser schickte ihn mit dem Verdacht auf Herzinfarkt ins Krankenhaus, dort wurde die Diagnose bestätigt. Bei einer Herzkatheder-Untersuchung erlitt er zudem einen Schlaganfall.

Fehlende Sachkunde

Dafür begehrte er von der Feuerwehr Schadenersatz und verklagte sie deswegen vor dem Landgericht Berlin. Dieses gab der Klage statt. Den Rettungssanitätern hätte es an der eigenen Sachkunde gefehlt festzustellen, ob nicht doch ein Herzinfarkt vorlag.

Außerdem wäre es ohnehin ihre Pflicht gewesen, auf jeden Fall einen Notarzt zu verständigen oder den Patienten in ein Krankenhaus zu bringen. Durch die verspätete Einlieferung ins Krankenhaus sei bereits teilweise Herzmuskelgewebe abgestorben und es habe sich eine Herzinsuffizienz herausgebildet.

Dagegen legte die beklagte Feuerwehr Berufung vor dem Kammergericht Berlin ein. Dieses schloss sich im Wesentlichen der Beweiswürdigung der ersten Instanz an. Grundsätzlich seien die primären Aufgaben des Rettungsdienstes die Notrettung und der Krankentransport. Bei der Notrettung müssten die Sanitäter erste Hilfe leisten.

Effizienter Einsatz

In der Praxis müssten sie dies zwar unter dem Aspekt tun, dass qualifizierte Fachkräfte effizient und ressourcenschonend eingesetzt werden. Trotzdem sei es nicht ihre Aufgabe, eigenständig ärztliche Diagnosen zu stellen. Zudem hätten im vorliegenden Fall zwingend weitere medizinische Untersuchungen, wie ein EKG, gemacht werden müssen.

Deshalb liege ein grober Behandlungsfehler vor, für den jedoch nicht die Rettungssanitäter persönlich, sondern die Feuerwehr in Form der Amtshaftung einstehen müssten. Eine Revision wurde nicht zugelassen.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

zurück