Open Nav Beratung anfordern

Online-Abschluss auch ohne Bera­tung?

22.05.2017

Anders als andere Vermittlerverbände hat der BVK nur wenige Nachbesserungswünsche in Sachen IDD-Umsetzung, die im Mittelpunkt der diesjährigen Jahreshauptversammlung stand. Heiß diskutiert wurden auch die Themen Vergütung und Insurtechs.

Geht es nach Wünschen des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK), würde der Online-Vertrieb hinsichtlich seiner Pflichten dem personalen Vertrieb gleichgestellt. Doch das scheint unwahrscheinlich, wie der Podiumsdiskussion zur BKV-Hauptversammlung zu entnehmen war. Dort ging es auch um Vergütung und Vertriebssteuerung. Für die Aufnahme von Insurtechs kündigte der Verband harte Kriterien an.

„Wir fordern, dass für den Online-Vertrieb die gleichen Beratungs- und Dokumentationspflichten gelten müssen wie für den stationären Versicherungsvermittler“, formuliert das Präsidium des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) in seinem gestern im Rahmen der Jahreshauptversammlung beschlossenen Leitantrag zur IDD. Vertrieb dürfe ohne Beratung nicht stattfinden.

Noch Lücken

Diese Forderung stößt nicht nur beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) auf Widerstand. Im öffentlichen Teil der Versammlung betonte GDV-Präsident Dr. Alexander Erdland zwar die vielen Gemeinsamkeiten zwischen Versicherer und Vermittler hinsichtlich der IDD. Er sagte aber auch unter lautem Protest vieler Teilnehmer: „Wo der Kunde online abschließen und keine persönliche Beratung will, darf der Gesetzgeber eine Beratung nicht aufoktroyieren.“

Der BVK will seine Forderung zwar am 31. Mai bei der Anhörung der Verbände zur IDD-Umsetzung äußern. Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), hat „keine Zweifel daran, dass es eine klare politische Mehrheit für den Gesetzesentwurf gibt“. Das bedeute, wenn der Kunde in Textform auf die Beratung verzichte, werde dies möglich sei.

In der Podiumsdiskussion wurde deutlich, dass es bei der IDD noch Regelungsbedarf durch die geplanten Verordnungen bedarf. Ein großes Thema dabei sind die Vergütung, die Vertriebssteuerung und der Zwang, sich im Privatkundengeschäft künftig eindeutig für eine Vergütungsform entscheiden zu müssen.

Hat sich der Vermittler für die Provision entschieden, hat er das Nachsehen, wenn Kunden von bereits aus dem Markt ausgeschiedenen Vermittlern beim Ablauf ihrer Lebensversicherung oder Arbeitnehmer beim Wechsel ihres Arbeitgebers zur betrieblichen Altersvorsorge von ihm beraten werden wollten. Wie mit solchen Fällen, die ein Vermittler in die Diskussion einbrachte, umzugehen ist, blieb offen.

Qualität messen

Die Branche wird im Zuge der Vertriebsrichtlinie IDD ihre Vergütungsmodelle anpassen müssen. „Wir haben Handlungsbedarf, Rechtsbegriffe zu klären“, sagte Dr. Frank Grund, oberster Versicherungsaufseher der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-Aufsicht (Bafin).

V.l.n.r.: Gerd Billen, Moderator Marc Surminski, Frank Grund (Bild: Lier)
V.l.n.r.: Gerd Billen, Moderator Marc Surminski, Frank Grund (Bild: Lier)

Der Markt müsse hier zu Usancen und klaren Regeln kommen. Aus dem Dreiklang „quantitativ, qualitativ und Dienstleistungselemente“ müsse man ein „gemeinsames Verständnis dafür entwickeln, was eine angemessene Kosten- und Vergütungsstruktur ist“, so Grund.

Quantitativ sei klar, dass die „Vergütung nicht ins Unendliche gehen darf“. Qualitativ könne man Elemente aus Geschäftsplänen heranziehen, mit denen auch sonst Beratungsgüte gemessen werde – also etwa der Net-Promoter-Score (NPS) oder die Stornoquote.

Billen verwies auf die Praxis bei den Banken, die nach der Regulierung ihre Steuerungselemente vom Umsatz weg auf Faktoren wie Kundenzufriedenheit ausgerichtet hätten. „Die Unternehmen sind gut beraten, wenn die Lücken für den schnellen Euro geschlossen werden. Manchmal muss man auch sagen, lieber Kunde das Produkt passt nicht auf Dich“, so Billen.

Rechtlich wackelig

Nach Auffassung von Rechtswissenschaftler Professor Dr. Christoph Brömmelmeyer von der Europa-Universität Viadrina müssen die Vertriebspolitiken den Zielen des IDD zufolge „im bestmöglichen Interesse des Kunden“ stehen. Grundsätzlich seien auch Staffelprovisionen noch möglich, solange diese nicht zu Interessenskonflikten beim Vermittler führten.

Dass sich der Vermittler für eine Vergütungsform im Privatkundengeschäft entscheiden muss, könnte seiner Meinung nach ein Eingriff in die Berufsfreiheit (Artikel 12 GG) sein. Zu einer ähnlichen Einschätzung ist auch Professor Dr. Hans-Peter Schwintowski in einem Rechtsgutachten gekommen.

Noch deutlicher als Brömmelmeyer wurde auf der BVK-Veranstaltung Professor Dr. Peter Reiff von der Universität Trier: „Wenn ich Betroffener wäre und Geld hätte, würde ich jemand beauftragen, das zu prüfen. Problematisch ist vor allem der Eingriff in bestehende Verträge. Wegen der Rückwirkung zum 18. Januar 2017 kann man seine Vergütung nicht mehr einklagen – dieser Teil ist auf jeden Fall verfassungswidrig“, so Reiff.

V.l.n.r.: Peter Reiff, Christoph Brömmelmeyer (Bild: Lier)
V.l.n.r.: Peter Reiff, Christoph Brömmelmeyer (Bild: Lier)

Einige Verbandswünsche

„Der IDD-Gesetzentwurf ist aktuell so, wie wir uns das vorgestellt haben“, sagte BVK-Vize-Präsident Gerald Archangeli vor der Presse anlässlich der Jahreshauptversammlung des Vermittlerverbandes. Nachbesserungsbedarf bei der IDD sieht der Verband bei den Kopplungsgeschäften; also vor allem dann, wenn Banken Kreditvergaben mit Versicherungs-Vermittlung verbinden wollen.

Zudem fordert der BVK eine Klarstellung im Gesetzentwurf beim § 6 Absatz 6 VVG-E derart, dass es nach einer Vermittlung durch den Makler keiner weiteren Doppelberatung durch den Versicherer bedarf. In diesem Punkt sehen auch die unabhängigen Vermittler am häufigsten Änderungen an der IDD-Umsetzung als zwingend notwendig an.

Umgang mit Fintechs

Zur Diskussion um den Umgang mit Fin- und Insurtechs im Verband sagte BVK-Vize Andreas Vollmer, dass das Präsidium bis Sommer klare, für alle nachvollziehbare Kriterien für eine Aufnahme formulieren werde. Es hätten weitere Firmen einen Mitgliedsantrag gestellt. Die bisherigen Kriterien funktionierten nicht.

Man tue sich schwer, Firmen aufzunehmen, die nur bedingt oder oft nur auf den zweiten Blick die Bedingungen für eine Aufnahme als Mitglied erfüllten – und die man dann oft genug auch noch wettbewerbsrechtlich angehen müsse.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

zurück