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Tipps gegen Haf­tungs­fal­len bei der Ver­mitt­lung von BU-Po­li­cen

24.02.2017

Wo es bei der Regulierung von Leistung in der Berufsunfähigkeits-Versicherung hakt und was Versicherungsmakler bei Abschluss der Policen und der Begleitung von Schadenfällen unbedingt beachten sollten, haben die Rechtsanwälte Jöhnke und Reichow auf ihrem Kongress aufgezeigt.

Auf ihrem Vermittlerkongress haben die Rechtsanwälte Jöhnke und Reichow zahlreiche praktische juristische Probleme von Versicherungsmaklern thematisiert. Referent Björn Thorben M. Jöhnke berichtete aus der Schadenregulierungs-Praxis bei Berufsunfähigkeits-Versicherungen und was Vermittler diesbezüglich beim Vertragsabschluss und im Leistungsfall beachten sollten.

Die Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB haben vorgestern in Hamburg ihren ersten Vermittler-Kongress veranstaltet. Dabei standen die praktischen juristischen Probleme von Versicherungsmaklern im Mittelpunkt.

Über versteckte Tücken im alten und neuen Vertriebsrecht hatte Rechtsanwalt Jens Reichow referiert.

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke berichtete aus seiner Praxis über mögliche Haftungsfallen bei Berufsunfähigkeits-Versicherungen und beim Begleiten der Kunden im Schadenfall.

Voraussetzung der Leistung ist die passende Police

Björn Thorben M. Jöhnke (Bild: Meyer)
Björn Thorben M. Jöhnke (Bild: Meyer)

In 80 Prozent der von ihm bearbeiteten Beratungsfälle gehe es um den Übergang von der vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit (AU) zur dauerhaften Berufsunfähigkeit (BU), sagte der Referent.

Trete der Versicherungsfall ein, stelle sich zunächst die Frage, ob der Vertrag so abgeschlossen worden sei, wie es für einen Leistungsanspruch erforderlich gewesen wäre.

So könne entscheidend sein, dass in den der Police zugrunde liegenden Bedingungen darauf verzichtet wird, von dem Versicherten das Umorganisieren des Arbeitsplatzes zu verlangen.

Hilfreich sei auch, wenn das Recht auf die konkrete Verweisung auf eine andere Tätigkeit genau definiert sei. Eine Klausel, die die zumutbare Einkommenseinbuße auf 20 Prozent begrenzt, sei besser, als wenn sie die Regulierung auf die Rechtsprechung stütze.

Stolperstein Patientenakten

Als Stolperstein bei der Anerkennung einer BU-Leistung nannte Jöhnke die Patientenakten der Kunden. So seien in der Akte eines Piloten Knochenbrüche und Akne notiert gewesen, die der Patient aber nie gehabt habe. Es sei unter diesen Umständen schwer gewesen, den Versicherer zu überzeugen, dass keine vorvertragliche Anzeigepflicht-Verletzung vorgelegen habe.

Die Ärzte müssten dazu gebracht werden, Aktenfehler zu korrigieren, forderte der Anwalt. Er verwies darauf, dass Ärzte Patientenakten herausgeben müssten. So könnten die Versicherungsnehmer kontrollieren, ob irgendwelche Befunde aus abrechnungstechnischen Gründen erfunden wurden.

Der Blick in die Patientenakte könne außerdem dabei helfen, den Versicherungsantrag wahrheitsgemäß ausfüllen.

Risiko spontane Anzeigeobliegenheit

Als weiteres Hindernis der Regulierung nannte der Referent die spontane Anzeigeobliegenheit. Er bezog sich auf ein Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 8. November 2016 (2 O 90/16). In dem Fall eines Orthopädietechnikers hatte der Versicherer die Leistung verweigert, weil der Kunde über die im Antrag gestellten Fragen hinaus nicht ungefragt eine diagnostizierte Multiple Sklerose (MS) angegeben hatte.

Der Versicherer nahm das zum Anlass, den Vertrag wegen Arglist anzufechten. Das Gericht habe diese Argumentation gestützt. Die MS sei ein gefahrerheblicher Umstand, der auch ungefragt offenbarungspflichtig sein. Die Krankheit sei fortschreitend und in der Regel unheilbar. Das Risiko einer BU habe sich dem Versicherungsnehmer „aufdrängen“ müssen. Der Versicherer hätte den Vertrag so „unzweifelhaft“ nicht geschlossen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, der Fall ist in der Berufung. In einem anderen Fall hatte das Oberlandesgericht Celle am 9. November 2015 (8 U 101/19) geurteilt, eine spontane Anzeigepflicht bestehe nur bei Umständen, die zwar offensichtlich gefahrerheblich, aber so ungewöhnlich seien, dass eine auf sie abzielende Frage nicht erwartet werden könne.

Fehlende Dokumentation kehrt die Beweislast um

Den Versicherungsmaklern riet Jöhnke: „Dokumentieren Sie den Beratungsprozess!“ Dieses Dokument solle man sich vom Kunden unterzeichnen lassen, ergänzte er.

Ohne Protokoll kehre sich die Beweislast zu Lasten des Vermittlers um. Er müsse dann beweisen, den richtigen Rat erteilt zu haben.

Der Anwalt verwies auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 13. November 2014 (Az.: III ZR 544/13). In dem Fall konnte der Vermittler mangels Beratungsdokumentation nicht beweisen, den Kunden auf die Nachteile einer Umdeckung ausreichend hingewiesen zu haben.

Wie viel Hilfe Vermittler im Schadenfall leisten dürfen

Als weiteres Problemfeld nannte Jöhnke die Unterstützung der Versicherungsnehmer im Leistungsfall. Zum Berufsbild des Versicherungs-Vermittlers gehöre nach § 34d GewO grundsätzlich ein Vermittlungserfolg; der sei im Schadenfall aber kein Thema.

Damit sei die unterstützende Tätigkeit des Maklers jedoch nicht automatisch eine unerlaubte Rechtsberatung. Es könne sich auch um eine erlaubte Annex-Tätigkeit handeln. Das gelte insbesondere, wenn der Vermittler hier die eigenen Bestandskunden betreue.

Wer jedoch mit der Spezialisierung auf Leistungsfälle ausdrücklich werbe, sei unter Umständen anders zu beurteilen. In einem entsprechenden Streitfall erwartet Jöhnke die Entscheidung eines Berufungsgerichts.

Kunden dürfen Druck machen

Zu der Entwicklung bei BU-Leistungsfällen sagte der Anwalt: „Die Regulierungspraxis ist besser geworden“. Nach seiner Erfahrung wird jeder zweite Leistungsantrag akzeptiert.

Hauptstreitpunkt sei, ob eine BU von 50 Prozent vorliegt, ab der meist bedingungsgemäß zu leisten ist. Die Abwicklung könne sehr unterschiedlich lang sein: „BU-Prozesse dauern ein bis acht Jahre“, sagte Jöhnke.

Um die Schadenregulierung zu beschleunigen, könnten die Kunden auch Druck machen. Wenn zwischen zwei Bearbeitungsschritten zu viel Zeit vergehe, dann könne man die Gesellschaft in Verzug setzen, also Termine für die Erledigung setzen. Zu den Verbraucherrechten gehört nach Aussage des Referenten auch, dass die Versicherer die von ihnen beauftragten Arztgutachten herausgeben müssen.

Sinnvoll sei es, vor der BU-Police eine Rechtsschutz-Versicherung abzuschließen, da das Durchsetzen von Ansprüchen vor Gericht sehr teuer sein könne.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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