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Kapi­tal oder Ren­te?

08.04.2015

Wovon es abhängt, für welche Option sich privat Rentenversicherte entscheiden und welchen Einfluss darauf der Beratungskontext hat. Warum ein Verzicht auf das Wahlrecht die Rente erhöhen könnte.

Die Kapitaloption wird als Verkaufsargument in der Vermittlung von privaten Rentenversicherungen genutzt. Dessen Überzeugungskraft hängt neben dem Alter der Versicherten sowie deren Familiensituation und geschätzter Lebenserwartung auch vom Beratungskontext ab. Tarife ohne Kapitalwahlrecht sind am ehesten für jüngere Versicherte interessant und könnten zu höheren Renten führen. Ein Gastbeitrag von Dr. Philipp Schreiber, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Mannheim.

Gewinnt man den Hauptpreis der Glücksspirale-Lotterie, erhält man eine garantierte monatliche Sofortrente. Für eine 65-jährige Person hätte diese im Jahr 2013 10.594 Euro pro Monat betragen. Alternativ hat der glückliche Gewinner auch die Möglichkeit, anstatt der monatlichen Sofortrente eine feste, altersunabhängige Einmalzahlung in Höhe von 2,1 Millionen Euro zu wählen.

Wichtige Entscheidung

Die meisten Menschen haben nicht das Glück, irgendwann eine entsprechende Wahl treffen zu müssen. Viele stehen aber am Ende ihres Arbeitslebens vor einer ähnlichen Entscheidung. Oft bieten private Rentenversicherungen eine sogenannte Kapitaloption: Bei Ablauf der Versicherung kann der Versicherte wählen, ob er den angesparten Betrag als Kapitalbetrag oder in Form einer monatlichen Rentenzahlung ausgezahlt bekommen möchte.

Die Entscheidung zwischen Einmalzahlung und Rente ist von einiger Bedeutung: Die steigende Lebenserwartung in Kombination mit einem sinkenden tatsächlichen Renteneintrittsalter macht sie zu einer der wichtigsten ökonomischen Entscheidungen, die Privatpersonen im Laufe eines Lebens zu treffen haben.

Kenntnis der Präfenzen hilft, besser zu beraten

Die empirische Wirtschaftsforschung befasst sich mit Faktoren, welche diese Wahl zwischen Rente und Einmalzahlung beeinflussen. Die Ergebnisse sind auch für Versicherungsanbieter relevant, da sie eine Hilfestellung zur zielgruppenorientierten Kundenansprache bieten.

Weiß man zum Beispiel, dass eine Auszahlungsoption in einer bestimmten Altersgruppe bevorzugt wird, kann im Beratungsgespräch der Fokus stärker in die eine oder andere Richtung gelenkt werden. Neben dem Faktor Alter des Versicherungsnehmers helfen insbesondere die Faktoren Familiengröße, Lebenserwartung und die Art, wie das Entscheidungsproblem präsentiert wird die Entscheidung der Versicherten besser zu verstehen und somit potenzielle Versicherungsnehmer besser zu beraten.

Rente ist für Einzelpersonen wichtiger

Der Familienstand ist aus zwei Gründen wichtig. Zum einen haben verheiratete Paare mit größerer Wahrscheinlichkeit Kinder als unverheiratete oder alleinstehende Personen und dadurch auch ein stärkeres Vererbungsmotiv. Deshalb wählen sie häufiger die Kapitaloption.

Zum anderen hat die Familiengröße einen großen Einfluss auf die Entscheidung, wie notwendig eine Versicherung gegen Langlebigkeit ist.

Die Gefahr, dass durch ein sehr langes Leben die Ersparnisse aufgebraucht werden und sich der Lebensstandard dadurch deutlich verschlechtert, ist für Personen mit einer großen Familie geringer. Im Normalfall kann man davon ausgehen, dass eine Familie ihre Mitglieder in einer Notsituation unterstützt und der Aspekt Versicherung der Langlebigkeit somit weniger bedeutend ist.

Somit kann bei Kunden mit entsprechendem familiärem Hintergrund der Fokus im Beratungsgespräch stärker auf die Option der Einmalzahlung und möglichen Vererbung des Kapitals gelegt werden.

Subjektive Lebenserwartung spielt eine wichtige Rolle

Die individuelle Lebenserwartung des Versicherungsnehmers spielt insofern eine wichtige Rolle, als dass die Rente immer so lange gezahlt wird, wie der Versicherte lebt. Das heißt, stirbt man früh, so erhält man wenig, lebt man länger, erhält man mehr. Die Kapitaloption kann daher ein zusätzliches Argument für Versicherungsnehmer mit weniger gutem Gesundheitszustand sein.

In der empirischen Forschung zeigt sich zudem, dass die eigene, subjektive Einschätzung, die man von seiner persönlichen Lebenserwartung hat, eine gute Basis bildet, um die tatsächliche Lebenserwartung einer Person vorauszusagen.

Unter dem Begriff Framing versteht man in der Verhaltensökonomie die Art, wie ein Entscheidungsproblem dargestellt wird. In einer Untersuchung aus dem Jahr 2008 zeigt sich, in einem Experiment, dass je nachdem ob die Rentenversicherung in einem „Investment-Kontext“ oder aber in einem „Konsum-Kontext“ dargestellt wird, die Entscheidung in Richtung Einmalzahlung oder in Richtung monatliche Zahlung gelenkt werden kann.

Beratungskontext entscheidet mit

Im Investment-Kontext entscheidet sich die Mehrzahl (circa 80 Prozent) der Teilnehmer des Experiments für die Einmalzahlung, da hier bei der Beschreibung der Rentenversicherung der Fokus auf der Rendite lag und der Versicherungsaspekt vernachlässigt wurde. Im Konsum-Kontext wurde der Fokus auf den Versicherungsaspekt gelegt und die Entscheidung ändert sich in Richtung der Rentenversicherung (nun wählen 80 Prozent die Versicherung).

Dies zeigt, dass der Versicherungsaspekt der monatlichen Zahlung vom Entscheider nur im Konsum-Kontext wahrgenommen wird. Es daher wichtig, im Beratungsgespräch den Versicherungsaspekt bezüglich des Langlebigkeitsrisikos entsprechend hervorzuheben.

Jüngere tendieren eher zur Rente

Ein weiterer Faktor, der Einfluss auf die Entscheidung „Kapital oder Rente“ hat, ist das Alter des Versicherungsnehmers. In empirischen Studien zeigt sich ein negativer Alterseffekt in Bezug auf die Attraktivität der monatlichen Rente.

Demnach scheint es, dass ältere Entscheider eine stärkere Präferenz für die Einmalzahlung haben, wohingegen jüngere Entscheider eher die Rente präferieren. Es zeigt sich, dass jüngere Teilnehmer bei der Frage, ob sie sich aus heutiger Sicht in der Zukunft für eine monatliche Rente oder eine Einmalzahlung entscheiden würden, häufig die monatliche Rente bevorzugen.

Ältere Teilnehmer hingegen scheinen aus heutiger Sicht eine Präferenz für eine Einmalzahlung in der Zukunft zu haben. Im Beratungsgespräch mit jüngeren Personen sollte daher eher der Renten- und Versicherungsaspekt hervorgehoben werden wohingegen bei älteren potenziellen Versicherungsnehmern die Kapitaloption im Vordergrund stehen sollte.

Diese unterschiedliche Entscheidung je nach Alter der Teilnehmer ist insofern interessant, als dass sie eine Änderung der Präferenzen mit fortschreitendem Alter impliziert.

Versicherte nutzen ihren Informationsvorsprung

Für den Versicherungsanbieter ist der Alterseffekt zusätzlich interessant: Aufgrund von asymmetrischen Informationen bieten die Versicherungsgeber ihre Leistung unter dem aktuarisch fairen Wert an. Der Versicherte kann seine persönliche Lebenserwartung besser einschätzen als der Versicherer, da er mehr Informationen über seinen Gesundheitszustand besitzt, zum Beispiel im Hinblick auf Krankheitshistorie, Rauchen oder Alkoholkonsum. Somit haben nicht beide Parteien dieselben (symmetrischen) Informationen.

Da sich eine Rentenversicherung aus Sicht der Versicherten insbesondere dann bezahlt macht, wenn man erwartet, sehr lange zu leben, werden in erster Linie Personen mit einer hohen Lebenserwartung die Rente wählen.

Weil aber die durchschnittliche Lebenserwartung der Versicherten größer ist als die in der Gesamtbevölkerung, plant die Versicherung einen Puffer ein und kalkuliert mit einer höheren Lebenserwartung. Dies führt letztendlich dazu, dass die monatliche Zahlung geringer ausfällt.

Ausschluss der Kapitaloption könnte Rente erhöhen

Da jüngere Versicherungsnehmer die Rente bevorzugen, kann ein Versicherer die Option anbieten, schon bei Abschluss der Rentenversicherung die Auszahlungsart verbindlich festzulegen (wie zum Beispiel bei der Riester- und Rürup-Rente).

Dies reduziert den Grad der asymmetrischen Information, da nun auch der Versicherungsnehmer weniger Informationen über seinen zukünftigen Gesundheitszustand besitzt als im höheren Alter. Zum Beispiel weiß man mit 30 noch nicht, wie viele Zigaretten man bis 65 geraucht haben wird.

Die Versicherung kann die Rente zu besseren Konditionen anbieten und somit einen Anreiz für den Abschluss schaffen.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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