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Mehr Si­cher­heit durch we­ni­ger Ga­ran­ti­en

16.01.2017

Die Rechnungs-Grundlagen der Lebensversicherer stehen weiterhin unter Druck trotz Rechnungszins-Senkung und neuer Tarife. Einen Ausweg zeigt eine andere Sparte auf, die für Niedrigzinssen und steigende Lebenserwartung vorbildliche Lösungen praktiziert. Dadurch könnte das Leben-Neugeschäft wertvolle Impulse erhalten.

Die Senkungen von Rentenfaktoren im Fondspolicen-Bestand mehrerer Lebensversicherer haben wieder einmal die Garantien in den Blickpunkt gerückt. Es zeigt sich einmal mehr, dass sich die Anbieter Anpassungen ihrer Rechnungsgrundlagen vorbehalten müssen. Das stößt in der Kundschaft nicht immer auf Verständnis. Vorbilder für eine neue Herangehensweise an die Tarifgestaltung könnten die privaten Krankenversicherer sein, die bei Bedarf mit Preisanpassungen statt Leistungssenkungen auf eine hohe Akzeptanz ihrer Kunden stoßen.

Claus-Peter Meyer (Bild: Harjes)
Claus-Peter Meyer (Bild: Harjes)

Die Garantien in der Lebensversicherung (LV) sind wieder einmal in den Blickpunkt geraten, als Allianz und Zürich und später Axa bei fondsgebundenen Rentenversicherungen in Teilen des Bestandes die Rentenfaktoren gesenkt haben.

Dadurch erhalten die betroffenen Versicherten je angesparten 10.000 Euro Kapital eine geringere garantierte Altersrente als bei Vertragsbeginn zugesagt.

Als Grund nennt die Frankfurter Allgemeinen Zeitung in dem Artikel, dass die Gesellschaften den für die Kalkulation der Rente maßgeblichen Rechnungszins auf 1,75 Prozent gesenkt haben.

Nicht nur bei einer dauerhaften Senkung des Kapitalmarktzinses, sondern auch bei einer Verlängerung der Lebenserwartung steht der Rentenfaktor bei den betroffenen Policen unter dem Vorbehalt einer Anpassung.

Deutlicher Unterschied zur PKV

Soweit dabei die vertraglichen Vereinbarungen und die gesetzlichen Bestimmunen eingehalten werden, ist dieses Vorgehen nicht zu kritisieren.

Ganz im Gegenteil. Es ist unverständlich, dass solche Anpassungsklauseln in der Lebensversicherung nicht flächendeckend verbreitet sind.

Im Gegensatz dazu ist es in der privaten Krankenversicherung (PKV) selbstverständlich, dass bei sinkenden Zinsen und steigender Lebenserwartung (ebenso wie bei allgemein steigenden Kosten im Gesundheitswesen) die Beiträge steigen. Dafür gibt es offenbar eine große Akzeptanz in der Kundschaft.

Haupt-Stellschraube der LV-Anbieter ist die Überschussbeteiligung

Die Lebensversicherer dagegen haben als wesentliche Stellschraube bei sich verändernden Kapitalmarkt- oder Risikoverhältnissen nur die Überschussbeteiligung. Das zeigt sich derzeit besonders deutlich an den für 2017 abermals abgesenkten Deklarationen.

Bei Policen mit Beitragsvorwegabzug kann der Nettobeitrag steigen, zum Beispiel bei Berufsunfähigkeits-Versicherungen.

Wenn sich dann tatsächlich der Nettobeitrag erhöht oder sich die Ablaufleistung einschließlich Überschussbeteiligung verringert, ist vielfach Enttäuschung zu hören.

Sinkende Leistungen oder steigende Nettobeiträge enttäuschen

Dass ein Beitragsvorwegabzug teilweise oder ganz wegfallen kann, darauf sind offenbar nicht alle Versicherungsnehmer hinreichend vorbereitet. Möglicherweise wird allzu oft in der Beratung und in der Verbraucherpresse der Nettobeitrag zu sehr in den Vordergrund gestellt und die Aussicht, dass maximal der Bruttobeitrag zu zahlen ist, nicht ausreichend deutlich gemacht.

Und dass die unverbindliche Prognose zur Ablaufleistung einer Kapital-LV oder der Altersversorgung eine Renten-Police nicht garantiert ist, wird wohl auch nicht immer deutlich genug gesagt beziehungsweise geschrieben. Oder es wird nach der Beratung von zu vielen Kunden zu schnell verdrängt.

Dazu mag auch das Image der Branche betragen, die einst mit dem Slogan „Sicherheit mit Dividende“ geworben hatte.

Es mangelt an dem richtigen Bewusstsein

Es fehlt ein Bewusstsein dafür, welche Sicherheiten die Lebensversicherer bieten können und welche nicht.

Die große Stärke der Versicherungswirtschaft ist der Risikoausgleich im Kollektiv. Dadurch profitieren etwa die Langlebigen von den früh Sterbenden und die Berufsunfähigen von den Gesunden. Die Branche bietet somit ein hohes Maß an individueller Sicherheit für viele existenzbedrohende Risiken.

Anders sieht es aus, wenn sich die Verhältnisse für das Kollektiv als Ganzes ändern. Das kann nicht nur durch Zinsänderungen oder längere Lebenserwartungen geschehen. Denkbar sind ebenso Epidemien oder andere durchgreifende Notlagen. Dann kann die Stabilität der Kalkulation gewaltig ins Wanken geraten.

Auf schlechte Nachrichten vorbereiten

Es darf gerne auch laut gesagt werden, dass die Möglichkeiten von stabilen Beiträgen und garantierten Leistungen begrenzt sind. Davon kann die Glaubwürdigkeit der Branche nur profitieren.

Das Risiko unter den Teppich zu kehren, ist jedenfalls kaum Erfolg versprechend. Spätestens, wenn der erste Lebensversicherer nach § 314 VAG gezwungen wird, die garantierten Leistungen herabzusetzen, wird die Überzeugungskraft von Garantien erschüttert.

Einen Vorgeschmack gaben mehrere Pensionskassen, die auch im Bestand den Rechnungszins abgesenkt haben

Nicht überschaubare Garantien zurückfahren

Solche Maßnahmen, die Garantien auf das tatsächlich überschaubare Maß zurückzufahren, sind sinnvoll. Daher ist auch die jüngste Senkung des Rechnungszinssatzes durch das Bundesfinanzministerium (BMF) für das Neugeschäft zu begrüßen.

In die richtige Richtung gehen auch Renten-Versicherungen mit abgesenkten Garantien wie „Perspektive“ der Allianz. Bei diesem Konzept ist aber der Erhalt der eingezahlten Beiträge garantiert; das ist je nach Laufzeit noch mehr als beim herkömmlichen Tarif.

Auch damit ist den Versicherungsnehmern nur bedingt geholfen. Denn welchen Beitrag zur Altersversorgung eine solche Police zu leisten vermag, lässt sich kaum zuverlässig planen.

Beitragsgarantie hilft nicht bei Inflation

Dafür sorgt neben der heute noch nicht absehbaren Steuerbelastung allein schon die Inflation. Je nach Höhe der Geldentwertung kommt die Beitragsgarantie (außer im Falle von Preisstabilität oder Deflation) einer garantierten Geldvernichtung gleich.

Auch die garantierten Renten, für die die Versicherten teilweise mehr als 100 Jahre alt werden müssen, um das investierte Vermögen nominal sicher zurückzuerhalten, dürften nicht Jeden wirklich überzeugen.

Wird real gerechnet, also unter Berücksichtigung der Geldentwertung, kann die Amortisation noch viel länger dauern.

Policen dynamisch an Vorsorgeziele anpassen

Ein Ausweg könnte sein, auf langfristige Garantien ganz zu verzichten und den Rechnungszins von Jahr zu Jahr festzulegen. Zudem müssten die nominal versicherten Leistungen regelmäßig entsprechend der Geldentwertung angepasst werden, damit die realen Versorgungsziele der Kunden zuverlässig erreicht werden. Die bisher angebotene Anpassung der Beiträge und Leistungen („Dynamik“) kann das nur ansatzweise leisten.

Die Beiträge müssten dann ähnlich wie in der PKV entsprechend überprüft und bei Bedarf erhöht oder gesenkt werden. Damit ließen sich neben anderen Unbekannten auch Änderungen der Lebenserwartung elegant einpreisen. Denn das geschieht besser automatisch von Jahr zu Jahr.

Anderenfalls besteht die Gefahr, dass die Versicherten mangels Automatismus nicht handeln. Dann kann am Ende der Aufschubzeit eine verringerte Gewinnrente eine große Enttäuschung sein.

Lieber mehr zahlen als weniger Leistung erhalten

Mit wirklich dynamischen statt mit Rechnungszinsen kalkulierten LV-Policen bekämen die Versicherten mehr Sicherheit, ihre Versorgungsziele zu erreichen, als mit Garantien, auf die sie sich im Notfall nicht verlassen können.

Dass es den Verbrauchern mehr um verlässliche Leistungen als um stabile Preise geht, beweisen sie bei jeder Benzinpreiserhöhung. Lieber wird an der Tankstelle mehr gezahlt, als die Mehrkosten durch eine sparsamere Fahrweise oder durch Verringerung der Fahrten zu vermeiden.

Mit wirklich leistungsorientierten Innovationen könnten die Versicherer der privaten Altersvorsorge und der Absicherung biometrischer Risiken neuen Schwung verleihen. Außerdem wären sie ein gutes weiteres Argument im Wettbewerb mit Banken und Fondsgesellschaften.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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