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„Es besteht nach wie vor Versicherungsbedarf“

13.10.2017

Die Gewerbeversicherungen bleiben zwar beim personengebundenen Vertrieb, aber Vergleicher und Portale werden an Bedeutung gewinnen, meint Gothaer-Vorstand Dr. Christopher Lohmann im Interview. Um die Gewerbekunden geht es auch im neuen VersicherungsJournal Extrablatt 4|2017.

Das Geschäft mit dem Gewerbekunden brummt. Bei den kleinen und mittelständischen Firmen sind aber auch nicht ausreichend versichert, sagt Dr. Christopher Lohmann, Vorstandschef der Gothaer Allgemeinen Versicherung AG, im Interview mit der Redaktion. Das VersicherungsJournal Extrablatt 4|2017 erscheint am 23. Oktober und beschäftigt sich mit dem Gewerbekundengeschäft.

Redaktion: Es scheint, als wenn zurzeit alle Kompositversicherer das Gewerbegeschäft entdecken – vor allem die Kundengruppe „Rund um den Marktplatz“. Was macht das mit dem Wettbewerb – und den Preisen?

Christopher Lohmann (Bild: Lier)
Christopher Lohmann (Bild: Lier)

Dr. Christopher Lohmann: Ja dieses Geschäft scheint zurzeit en vogue. Viele etablierte Spieler investieren hier verstärkt, und es kommen neue Anbieter hinzu, die entweder dem Druck auf andere Felder wie etwa der Lebens- oder Krankenversicherung weichen wollen oder den Fintechs zuzurechnen sind.

Der Gewerbeversicherungsmarkt ist aber ein Wachstumssegment: Die Zahl der Gewerbe steigt dank guter Konjunktur, und nach wie vor besteht bei den Unternehmen Versicherungsbedarf. Das zeigte auch die KMU-Studie der Gothaer unter rund 1.000 Firmen, die wir im Juli veröffentlicht haben.

Danach sind nicht alle Firmen ausreichend versichert: 48 Prozent der Firmen haben weniger als drei Versicherungen, 34 Prozent nur zwischen vier und sechs Policen und nur 18 Prozent mehr als sechs. Je kleiner das Unternehmen, desto weniger versichert ist es.

Über alle Firmengrößen haben 88 Prozent eine Betriebshaftpflicht und 65 Prozent eine betriebliche Gebäudeversicherung. Betriebsunterbrechungsschäden hat nicht einmal jeder Dritte versichert, Schäden durch Cyber nicht einmal jeder Zehnte. 60 Prozent der Befragten zahlen im Jahr weniger als 2.000 Euro für ihre Versicherungen für das Unternehmen – 38 Prozent sogar weniger als 500 Euro.

Redaktion: Niedrige Prämienhöhen und eine wachsende Zahl von Anbieter – müssen die Kunden da nicht fürchten, dass bei den Schadenfällen gespart wird?

Lohmann: Das würde ich so nicht unterschreiben. Der Wettbewerb erhöht die Transparenz und die Qualität des Versicherungsschutzes. Eine schlechte Regulierung wird sich niemand leisten können, da alle auf die Kundenzufriedenheit angewiesen sind. Das wäre eine Milchmädchenrechnung.

Eine gute Regulierung hat den Schadenaufwand im Griff – beispielsweise weil schnell reguliert wird, bevor der Kunde weitere Dienstleister wie Rechtsanwälte und Gutachter einbezieht. Gut ist es auch, den Schaden „über ein Gesicht zu regulieren“ – also Assistance durch Vertragswerkstätten oder Handwerkernetze zu liefern. Sich zu kümmern, zahlt sich im Schadenfall sowohl für den Versicherer als den Kunden aus. Das ist im Übrigen ein klarer Trend in der Branche.

Redaktion: Für kleine Firmen gibt es zunehmend komplette Versicherungspakete, die mit branchenspezifischen Einschlüssen und Erweiterungen innerhalb einer Sparte sowie spartenübergreifende Lösungen den Versicherungsnehmer gegen allgemeine und für sein Geschäft typische Risiken schützen soll.

Lohmann: Wir gehen da definitiv einen anderen Weg mit unserem neuen Produkt „Gothaer GewerbeProtect“. Als Anbieter wie als Vermittler kann man generell zwei Wege beschreiten: Entweder man versucht, möglichst passgenauen, transparenten Versicherungsschutz bereitzustellen – hier geht es um die Modularität – oder man bietet ein Rundum-Komfortpaket an, das dann aber auch passen muss.

Unser Unternehmen hat eine große Tradition im Rundum-Schutz – sowohl im Gewerbe mit den Tarifen GMP und GUP (Gothaer-Multirisk-Police und Gothaer-Unternehmer-Police) als auch im Privatkundengeschäft. Dabei werden Deckungen aus verschiedenen Sparten gebündelt. Die Vertriebe finden das grundsätzlich gut und hilfreich.

Aber wir bieten auch modulare Produkte an. Und ich bin davon überzeugt, dass der Weg in der Gewerbeversicherung langfristig zu Produkten mit hoher Variabilität und Modularität führt. Treiber sind hier die neuen technischen Möglichkeiten durch die Digitalisierung und die hohe Transparenz, die das Internet bei Preisen, Bedingungswerken und ähnlichem schafft.

Die Modularität schafft die Passgenauigkeit. Der Kunde ist durch das Internet viel aufgeklärter und hat einen besseren Überblick über die Angebote. Deshalb haben wir zum 13. Juni auch unseren neuen modularen Tarif „GewerbeProtect“ mit weitgehend vollautomatisierten Prozessen eingeführt.

Unserer Zielgruppe „Gewerbe rund um den Marktplatz“ bieten wir hier 28 Module, die einzeln zu- und abwählbar sowie gestaltbar sind und aus denen sich dann 2,6 Millionen verschiedene Kombinations-Möglichkeiten ergeben. Das macht aber nur Sinn, weil wir daraus mit einer regelbasierten Technologie für den Kunden ein geeignetes Produkt schaffen können.

Redaktion: Sind denn Module für den Vertrieb bei sehr kleinen Gewerbekunden interessant? Um passgenau zu sein, benötigen Sie doch sicherlich sehr viele Angaben vom Kunden?

Lohmann: Nein, für diesen IT-gestützten Verkaufsprozess braucht es nur wenige Angaben vom Kunden. Wir fragen für „GewerbeProtect“ sehr viel weniger ab, als wir dies bei anderen Gewerbetarifen früher getan haben.

Redaktion: Werden die Kunden bei Paketen nicht tendenziell überversichert, weil diese Angebote mehr abdecken als nötig?

Lohmann: Natürlich ist das so, wenn Pakete, Komponenten enthalten, die der Kunde nicht braucht. Anbieter solcher Pakete werden auf Dauer nicht erfolgreich sein können, weil das Internet eben die Transparenz über den Versicherungsschutz schafft. Pakete können nur erfolgreich sein, wenn sie passgenau sind – und das schafft man eben mit Modularität.

Redakion: Aber Sie haben mit GMP und GUP auch Pakete für bestimmte Branche oder Betriebsarten?

Lohmann: Ja. Solche Lösungen für bestimmte Zielgruppen lassen sich aus den Modulen grundsätzlich auch gestalten. Für Vermittler mit bestimmten Zielgruppen lässt sich aus der Modularität etwas vorkonfigurieren. Um einen solchen Schutz kann man dann eine Schleife binden und eine Rahmenvereinbarung für diesen speziellen Vermittler machen. Wichtig ist, dass es passgenau für den Kunden ist.

Aber auch ohne Vorkonfiguration macht „GewerbeProtect“ dem Vermittler bereits mit der Eingabe weniger Eckdaten entsprechende Vorschläge für den typischen Versicherungsschutz dieser Kundengruppe. Anders als bei den Paketen entscheidet hier aber der Kunde, ob und was er versichert.

Redaktion: Pakete erleichtern den Online-Verkauf. Damit bricht dem personengebundenen Vertrieb über kurz oder lang zumindest das Kleingewerbegeschäft weg, oder? Wie lange gibt es noch das Geschäft „Metzger, Friseur et cetera“ analog?

Lohmann: Man wird sehen, welche digitalen Geschäftsmodelle sich in der Gewerbeversicherung durchsetzen werden. Wir sind noch in der Marktphase, in der die Online-Fähigkeit entdeckt wird. Für mich war in unserer KMU-Studie überraschend, dass erst 29 Prozent der Befragten angaben, schon einmal eine Versicherung für das Unternehmen online abgeschlossen zu haben. 46 Prozent können es sich aber vorstellen.

Gewerbeversicherungen werden also auf Sicht beim personengebundenen Vertrieb bleiben. Denn Gewerbeversicherungen sind sehr erklärungs- und beratungsbedürftig. Ein ganz großes Thema werden hier aber die Vergleicher und Vergleichsportale werden, die Makler in die Lage versetzen werden, Direktangebote zu machen. Ein Check24 sehe ich in diesem Segment noch nicht.

Wir setzen auf Transparenz, in dem wir uns für eine große Zahl an Schnittstellen zu den Vergleichsportalen entschieden haben. Damit müssen diese unsere Tarife nicht erst lange nachbauen, sondern können gleich in unserem System rechnen.

Und so kommt das Extrablatt zu Ihnen

Im VersicherungsJournal Extrablatt 4|2017 nimmt Lohmann auch Stellung zu Cyber-Deckungen. Zudem finden sich dort die Ergebnisse der Leserumfrage. Bei dieser Umfrage ging es um die Einschätzung der Vermittler zu Branchenlösungen.

Das Heft erscheint am 23. Oktober. Abonnenten, die sich bis zum 10. Oktober im Internet registriert haben, bekommen ihr persönliches Exemplar in etwa zwei Wochen automatisch mit der Post zugeschickt.

Wer noch kein Extrablatt-Abonnent ist, kann dieses ab dem nächsten Heft online bestellen. Im Inland ist dies für die Leser kostenlos. Zudem steht es ab dem 23. August im Internet zum Herunterladen bereit.

Premium-Abonnementen werden bevorzugt bedient. Sie erhalten den Zugriff auf diese sowie alle neuen Ausgaben im PDF-Format rund eine Woche früher.

Die Fragen stellte

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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