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EU-Parlament ruft nach „Aktionsplan“ zu Fintechs

18.05.2017

Beratung, Verbraucherschutz, Wettbewerb, Datensicherheit: Das Europaparlament sieht Vorteile und Chancen durch neue Technologien im Bereich von Versicherungen und Finanzdienstleistungen, aber auch eine Reihe noch offener Fragen.

Fintechs – und mit ihnen „Insurtechs“ – können eine Reihe positiver Effekte entfalten, andererseits ist noch so manche offene Frage zu klären. Das ist der Tenor eines neuen Berichts des EU-Parlaments. Darin ist unter anderem von Rechtsunsicherheit die Rede, auch Datenschutz und Cybersicherheit werden thematisiert. Für die Robo-Beratung wollen die Abgeordneten ein Verbraucherschutzniveau wie bei persönlicher Beratung.

Einen „umfassenden Aktionsplan zur Finanztechnologie“ soll die EU-Kommission vorlegen, fordert das EU-Parlament in einer Entschließung, die es gestern mit großer Mehrheit verabschiedet hat.

Fintechs – dazu zählen hier auch die „Insurtechs“ aus dem Versicherungssektor – können nach Ansicht des Parlaments „erhebliche Vorteile“ mit sich bringen: Kostensenkungen, Effizienzgewinne und höhere Transparenz werden etwa genannt. Auch könne damit Menschen der Zugang zu hochwertigen Finanzdienstleistungen ermöglicht werden, die sie sich vorher nicht leisten konnten.

Andererseits werfe das Thema Finanztechnologie „auch grundlegende rechtliche und gesellschaftliche Fragen“ auf, heißt es in dem Papier.

Die Entschließung des Parlaments versteht sich denn auch nicht als fertiger Lösungsansatz – vielmehr wolle man damit „die richtigen Fragen“ auf dem Weg hin zu einer „zukunftsorientierten europäischen Politik im Bereich der Finanztechnologie“ stellen.

Vorteile – und Risiken

Fintech-Unternehmen, so das Parlament, leisten „einen positiven Beitrag zur Entwicklung von Finanzvermittlungs-Tätigkeiten“. Gleichzeitig entstünden durch die neuen technologischen Möglichkeiten aber „auch einige neue Risiken hinsichtlich der Stabilität des Finanzsystems“.

So sei es den Regulierungs- und Aufsichtsbehörden zwar möglich, aus den Bilanzen etablierter Finanzinstitute vieles an Information abzulesen. Hingegen sei es bei „Kreditinstitutionen, die keine Banken sind, wie Crowdfunding oder Peer-to-Peer (P2P)“, schwierig, deren Bilanzen ausreichende Informationen über ihre Finanzvermittlungs-Tätigkeiten zu entnehmen.

„Erhebliche rechtliche Unsicherheit“ im Bereich von Insurtechs

Besonderes Augenmerk will das Parlament in dem geforderten Fintech-Aktionsplan auf die Bedürfnisse von Privatkunden und Kleinanlegern gelegt sehen. Unabhängig von Vertriebskanal und Aufenthaltsort des Kunden müssten für Fintech-Dienstleistungen „dieselben Verbraucherschutz-Standards wie für andere Finanzdienstleistungen“ gelten.

Speziell in Bezug auf Insurtechs ortet das Parlament „nach wie vor erhebliche rechtliche Unsicherheit“. Hier müsse „etwas getan werden“, um Sicherheit, Privatsphäre, fairen Wettbewerb und Finanzstabilität sicherzustellen.

Eine Verbesserung der Rechtssicherheit helfe zu verhindern, „dass Kunden ungenügend regulierter Insurtech-Unternehmen Verluste erleiden oder Opfer von missbräuchlichem Verkauf werden“.

Beratung beim „Robo-Advisor“

Die Kommission solle untersuchen, inwieweit Finanztechnologie „zu einer qualitativ besseren Finanzberatung für Verbraucher beitragen kann“ und ob „der fragmentierte EU-Regulierungsrahmen für Beratung in diesem Zusammenhang ausreichend ist“.

Im Speziellen geht die Entschließung auf die sogenannte „Robo-Beratung“ ein, zumal „immer häufiger Algorithmen auf personenbezogene Daten angewendet werden“, um derlei Dienstleistungen zu erbringen.

Die Abgeordneten schreiben der Robo-Beratung einerseits ein „hohes Effizienzpotenzial“ zu. Sie könne sich positiv auf die Einbindung von Menschen in das Finanzsystem auswirken.

Verbraucherschutzniveau wie bei persönlicher Beratung nötig

Auf der anderen Seite sehen die Abgeordneten die Gefahr, „dass Fehler und Voreingenommenheit bei Algorithmen oder den zugrundeliegenden Daten zu Systemrisiken führen und Verbrauchern schaden können“.

An Kommission und Aufsicht richtet das Parlament deshalb den Appell, diese Risiken zu überwachen, „um sicherzustellen, dass mit der Automatisierung im Bereich der Finanzberatung die Beratung tatsächlich besser, transparent, zugänglich und kostengünstig wird“.

Außerdem solle gegen „die zunehmende Schwierigkeit“ vorgegangen werden, die Verantwortung für Schäden durch derartige Risiken zurückzuverfolgen. Ganz grundsätzlich betont das Parlament auch hier: Für Robo-Beratung sollten „dieselben Anforderungen an den Verbraucherschutz gelten wie für die persönliche Kundenberatung“.

Nutzen und Problematik von „Big Data“

Licht und Schatten macht das Parlament auch hinsichtlich der Erfassung, Auswertung und Nutzung umfangreicher Datenmengen – Stichwort „Big Data“ – aus. Die zunehmende Verwendung von Kundendaten oder Big Data könne den Kunden nützen, beispielsweise in Gestalt von „stärker maßgeschneiderten, gezielten und kostengünstigeren Angeboten“.

Andererseits habe „die Entwicklung der dynamischen Preisgestaltung“ das Potenzial, in die Gegenrichtung zu wirken. Letzteres könnte „die Vergleichbarkeit von Angeboten und einen wirksamen Wettbewerb sowie Risikobündelung und -vergemeinschaftung etwa im Versicherungsbereich untergraben“.

Klare Datenschutz-Vorschriften

Eng mit Big Data verknüpft ist das Thema Datenschutz. Das Parlament hält hier eine „einheitliche, technologieneutrale Anwendung“ der geltenden Datengesetzgebung für erforderlich.

Es sei zu gewährleisten, dass bei der Erbringung von Finanzdienstleistungen „ausschließlich objektive und relevante Daten“ verwendet werden. Es bedürfe klarer Vorschriften zu Dateneigentum, -zugriff und -übermittlung.

„Höchste Priorität“ für Cybersicherheit

Schutzmechanismen brauche es aber auch in anderer Hinsicht: Durchgängige Sicherheit sei „in der gesamten Wertschöpfungskette für Finanzdienstleistungen“ geboten.

Denn: Von Cyberattacken, die gegen Finanzmarkt-Infrastrukturen, das Internet der Dinge, Währungen und Daten gerichtet sind, gehen große und vielfältige Gefahren aus, warnt das Parlament. Cybersicherheit müsse im Fintech-Aktionsplan deshalb „höchste Priorität“ genießen.

Finanzwissen und digitale Kompetenz

An mehreren Stellen spricht der Text die Wichtigkeit des Finanzwissens an. In der „neuen Fintech-Umgebung“ seien sowohl Finanzkompetenz als auch digitale Kompetenz „entscheidende Faktoren für eine effiziente Nutzung und ein verhältnismäßig geringes Risiko“.

Ein „angemessener Stand“ des Finanzwissens bei Privatkunden und -investoren sei erforderlich; Kommission und Aufsicht sollten deshalb Initiativen zur Verbesserung des Finanzwissens stärker unterstützen.

Auch Regulierungs- und Aufsichtsbehörden müssten „genügend technologisches Fachwissen erwerben“, um „zunehmend komplexe“ Fintech-Dienstleistungen angemessen überprüfen zu können.

Der Text der Entschließung („Bericht über Finanztechnologie: Einfluss der Technologie auf die Zukunft des Finanzsektors“) ist auf der Website des Europäischen Parlaments abrufbar.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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