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In der privaten Unfall­versicherung rumort es gewaltig

13.10.2017

Auf einer Fachkonferenz wurden die besorgniserregenden Entwicklungen in der privaten Unfallversicherung thematisiert – und Strategien aufgezeigt, wie sich die Branche am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen kann.

Die bisher lukrative private Unfallversicherung kämpft derzeit mit mannigfaltigen Problemen. Neben einem scharfen Wettbewerb gibt es Schwierigkeiten mit teuren Schäden durch Senioren. Daher haben einige Versicherer die Police nun ganz neu erfunden. Zudem will der GDV allen Unfallversicherern empfehlen, ein Reha-Management in die Verträge aufzunehmen, wie auf einem Fachkongress offenbar wurde.

Die privaten Unfallversicherer leiden unter starkem Preiswettbewerb und geringer Nachfrage. Daher dürfte der Bestand leicht sinken. Nach einer Schätzung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) soll er sich 2017 noch auf 25,2 Millionen Policen belaufen. Ende 2016 waren es noch 25,6 Millionen.

Dennoch werden die Beiträge der Prognose zufolge leicht um rund 0,4 Prozent auf 6,4 Milliarden Euro steigen. Nach Einschätzung der Experten der MCC-Fachtagung „Unfallversicherung 2018“ resultieren die Beitragssteigerungen dabei im Wesentlichen aus dynamischen Anpassungen von Prämien.

Makler melden jeden Schaden

Besonders großen Preis- und Wettbewerbsdruck gibt es im Maklermarkt. „Versicherungsmakler melden schon aus Haftungsgründen jeden kleinen Schaden“, erläuterte Roland Roider, Vorstand der Haftpflichtkasse VVaG. Daher seien vor allem Versicherer mit starkem Maklervertrieb gezwungen, hohe Rückstellungen zu bilden.

Zudem leidet die private Unfallversicherung unter einer Überalterung der Bestände. Ältere Versicherte, die öfter meist schwerere Unfälle haben, treiben die Schäden nach oben, hieß es auf der Veranstaltung. Daher versuchen die Assekuranzen, für Senioren die Beiträge nach oben anzupassen oder bieten ihnen alternativ Policen mit eingeschränkten Invaliditätsleistungen und höheren Assistanceleistungen an.

Ältere müssen teilweise eine jährliche Beitragsanpassung von zehn Prozent hinnehmen, wenn sie ihren klassischen Schutz aufrechterhalten wollen. Der Nachfrageschwund resultiert nach Einschätzung der Experten auch daraus, dass die private Unfallversicherung für Verbraucher viel zu kompliziert ist. Zudem raten viele Medien von einem Abschluss ab.

Viele Versicherer schon in den roten Zahlen

Während es der Branche insgesamt noch gut geht, ist die Erfolgsspanne sehr unterschiedlich ausgeprägt. Eine ganze Reihe von Versicherern soll schon negative Ergebnisse erzielen. „Wir müssen das Produkt stärker am Bedarf des Kunden entwickeln“, forderte Roider die Branche auf. So müsse der Unfallbegriff aus Kundensicht formuliert werden.

Roland Roider (Bild: Schmidt-Kasparek)
Roland Roider (Bild: Schmidt-Kasparek)

Das haben immerhin schon drei Versicherer gemacht. So haben die Bayerische Beamten Versicherung AG, die Ostangler Brandgilde VVaG und die Volkswohl Bund Sachversicherung AG eine Unfallversicherung auf den Markt gebracht, die nach der Art der Haftpflichtversicherung Unfallschäden bezahlt.

„Unsere Unfallpolice ‚Individual‘ leistet ebenso wie der Fahrerschutz, der aber nur für Autounfälle gilt“, erläuterte Andreas Buhre, Leiter Underwriting und Portfoliomanagement bei der Versicherungsgruppe die Bayerische.

Betroffenen würden alle Kosten erstattet, die sie in der Folge eines Unfalls haben. Es reiche eine leichte dauerhafte Behinderung. Eine Gliedertaxe, wie bei der klassischen Unfallversicherung, gebe es nicht.

Noch schleppender Verkauf für neuartigen Unfallschutz

Das scheint aber ein Handicap für Versicherungsmakler zu sein. So ist Dietmar Bläsing, Sprecher der Vorstände der Volkswohl Bund Versicherungen, vom Absatz seines neuen Unfallproduktes „Gleichgewicht“ noch enttäuscht.

Dietmar Bläsing (Bild: Schmidt-Kasparek)
Dietmar Bläsing (Bild: Schmidt-Kasparek)

Bisher wurden rund 800 Policen verkauft, pro Monat sind das 100 Stück. Daher wird der Volkswohl Bund nun die klassische Unfallversicherung mit dem neuen Baustein „Gleichgewicht“ koppeln. Die Bayerische, die früher gestartet ist, hat rund 2.000 Policen abgesetzt.

Reha-Management als Chance

Einen Schub für die Unfallversicherung verspricht sich die Branche davon, dass künftig Reha-Management viel stärker in die Unfallversicherung eingebunden werden soll. Bisher haben erst wenige Anbieter einen solchen Service integriert. Im November 2017 wird der GDV auf seiner Fachtagung seinen Mitgliedern empfehlen, Reha-Dienstleistungen in die AUB zu integrieren.

„Ein sehr guter Schritt“, kommentierte dies Jörg Halm, Prokurist bei Reha Assist Deutschland GmbH und Leiter Vertrieb Personenversicherung bei der Deutschen Assistance Versicherung AG. „Wir kommen so endlich weg von ausschließlichen Geldleistungen und hin zum persönlichen neutralen Kümmerer.“

Nach seiner Einschätzung kommt das Reha-Management in der Kfz-Versicherung häufig zu spät. „Der Betroffene liegt im Krankenhaus, hat noch keinen Anwalt und wird erst sehr spät – wenn überhaupt – auf ein mögliches Reha-Management hingewiesen.“

Das sei bei Reha-Management in der Unfallversicherung ganz anders. Hier würden die Betroffenen die Leistung, die versichert sind, auch abrufen. Halm rät der Branche das Reha-Management ohne Aufpreis einzubinden, denn die Versicherer würden auch verdienen, wenn der Kunde wieder gesund wird. „Zudem übernehmen Reha-Dienstleister direkt die Organisation und Abwicklung.“ Das spare den Versicherern weitere Kosten.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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