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Dumme Bemer­kung oder sexuelle Beläs­tigung?

22.06.2016

Einem Außendienstler wurde vorgeworfen, bei einem Kundenbesuch die stellvertretende Marktleiterin sexuell belästigt zu haben. Weil er deswegen fristlos entlassen werden sollte, zog er gegen seinen Arbeitgeber vor Gericht.

Bevor ein Arbeitsverhältnis wegen einer sexuellen Belästigung gekündigt werden kann, muss zunächst eine Abmahnung erfolgen, um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Das gilt insbesondere dann, wenn damit für die Zukunft eine Wiederholung ausgeschlossen werden kann. Dies hat die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm in einem Urteil vom 3. März 2016 festgestellt (15 Sa 1669/15).

Der 56-jährige Kläger arbeitete seit zwei Jahren bei der Beklagten als Bezirksleiter im Außendienst und musste dabei vor allem Lebensmittelmärkte, die Kunden seines Arbeitgebers sind, betreuen.

Doppeldeutige Bemerkung

Bei einem Kundenbesuch hatte er Kontakt mit der stellvertretenden Marktleiterin. Sie wollte etwas aus dem Lager holen und er bot an, sie zu begleiten. Auf ihre Bemerkung, dort sei es ziemlich eng, sagte er, das fände er nicht schlimm, weil er es bei jungen Frauen auch möge, wenn es eng ist.

Zudem machte er ihr Komplimente, weil er kleine Frauen toll fände und stellte fest, dass er zwei Söhne habe, die noch unverheiratet seien.

Dies interpretierte die Frau als sexuelle Belästigung und beschwerte sich beim Vorgesetzten des Klägers. In einem am selben Tag geführten Personalgespräch stritt der Mann diesen Vorwurf ab.

Umgehende Kündigung

Am nächsten Tag kündigte ihm sein Arbeitgeber außerordentlich beziehungsweise hilfsweise fristgerecht. Dagegen reichte er Klage vor dem Arbeitsgericht Bochum ein.

Bei der Bemerkung mit der Enge habe er nur an den Aufenthalt seiner Person mit jungen Frauen in einer räumlich beengten Situation gedacht. Die Bemerkung über kleine Frauen habe sich aus einem unverfänglichen Kompliment ergeben und außerdem habe man sich anschließend per Handschlag verabschiedet.

Eine Abmahnung hätte deshalb ausgereicht. Deshalb beantragte er die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis weder mit sofortiger Wirkung noch mit ordentlicher Frist beendet worden ist.

Dauerhaft zerrüttet

Die Beklagte beantragte dagegen, die Klage abzuweisen, weil durch die verbale sexuelle Belästigung die Marktleiterin des Kunden in ihrer Würde verletzt worden sei und eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger ablehne. Außerdem habe es auch in der Vergangenheit schon auf einem Betriebsfest sexuelle Anspielungen des Klägers gegeben.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Es konnte in der Bemerkung zur Enge nicht zwingend eine sexuelle Belästigung erkennen. Die angeblichen weiteren sexuellen Belästigungen auf dem Betriebsfest seien vollkommen unsubstantiiert und würden zudem vom Kläger bestritten.

Eine Kündigung sei demnach unverhältnismäßig, eine Abmahnung hätte ausgereicht.

Generell frauenfeindliches Verhalten

Dagegen legte der Arbeitgeber des Klägers Berufung ein. Er hielt daran fest, dass es sich eindeutig um eine sexuelle Belästigung gehandelt habe. Der Kläger zeige keine Einsicht, sondern verharmlose sein Verhalten mit der Bemerkung, er habe es so nicht gemeint. Damit stellte er die Marktleiterin als Lügnerin dar.

Zudem lege er generell ein frauenfeindliches Auftreten an den Tag. Deshalb könne man ihn nicht mehr alleine zu Kunden schicken.

Das Landesarbeitsgericht Hamm schloss sich allerdings der Begründung und dem Urteil des Arbeitsgerichts an. Auch aus seiner Sicht wäre eine Abmahnung ausreichend gewesen. Nach seiner Überzeugung werde dadurch eine Wiederholung der Bemerkungen ausgeschlossen.

Einmalige Entgleisung

Eine außerordentliche Kündigung komme nur dann in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gebe, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind.

Unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei dies hier nicht angemessen. Es liege keine notorische Grenzüberschreitung durch den Kläger vor, sondern nur eine einmalige Entgleisung – die möglichen anderen Vorfälle fand das Landesarbeitsgericht ebenfalls unsubstantiiert begründet.

Der Kläger habe sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt und werde sicher daraus lernen, so dass einer künftigen gedeihlichen Zusammenarbeit der Parteien nichts im Wege stehe.

Eine Revision ließ das Gericht nicht zu.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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