Open Nav Beratung anfordern

Deutsches Al­ters­vor­sor­ge­sys­tem bleibt nur Mit­tel­maß

25.10.2016

Das Beratungsunternehmen Mercer hat die Altersversorgungs-Systeme von 27 Ländern miteinander verglichen. Die Bundesrepublik schneidet im internationalen Vergleich alles andere als überragend ab.

Im „Melbourne Mercer Global Pension Index 2016“ landet das Altersversorgungs-System der Bundesrepublik nur auf dem zwölften Platz von 27 untersuchten Ländern. Nachhol- und Reformbedarf sehen die Studienautoren vor allem in der deutlich verschlechterten Nachhaltigkeit des deutschen Systems.

Seit 2009 erstellt das Beratungsunternehmen Mercer in Kooperation mit dem Australian Centre for Financial Studies den sogenannten Melbourne Mercer Global Pension Index.

2016 wurden für den Index Stärken und Schwächen der Altersvorsorgesysteme von 27 Ländern untersucht. Neben den staatlichen Altersvorsorgesystemen und der betrieblichen Altersversorgung (bAV) werden den Angaben zufolge auch private Anlagen und Vorsorgemaßnahmen berücksichtigt.

Nach Angaben der Studienautoren hat es im Vergleich zum Vorjahr einige Änderungen gegeben. So seien unter anderem Daten hinsichtlich gesunkener Nettoersatzraten angepasst und Faktoren wie Altersarmut oder die immer weiter steigende Lebenserwartung und die damit einhergehende längere Rentenbezugszeit in die Bewertung einbezogen worden.

Grundzüge der Methodik

Der Gesamtindex (zwischen null und 100) setzt sich dabei zusammen aus dem gewichteten Durchschnittswert der drei Sub-Indizes „Angemessenheit“ (40 Prozent Gewichtung), „Nachhaltigkeit“ (35 Prozent Gewichtung) und „Integrität“ (25 Prozent Gewichtung). Insgesamt gibt es über 40 Kriterien.

Beim Index „Angemessenheit“ geht es den Angaben zufolge unter anderem um die derzeit gewährten Versorgungsleistungen und einige wichtige Gestaltungsmerkmale wie etwa Versorgungsniveau, steuerliche Anreize, Gestaltung der Altersversorgungs-Modelle und Sparquote.

Der Index „Nachhaltigkeit“ geht anhand von Faktoren wie Rückdeckung, Finanzierung, Demografie, Staatsverschuldung und flexiblen Arbeitszeitmodellen für ältere Arbeitnehmer der Frage nach, ob das gegenwärtige System in Zukunft aufrechterhalten werden kann.

Beim Index „Integrität“ schließlich spielen unter anderem die Faktoren staatliche Aufsicht, „Governance“, Kosten, Risikosteuerung und Kommunikation eine Rolle. So wird ermittelt, wie „vertrauenswürdig“ und beständig das Vorsorgesystem ist.

Deutschland auf Rang zwölf

Spitzenreiter im Gesamtranking ist Dänemark mit 80,5 Punkten, was laut Mercer insbesondere auf die solide Finanzierung, das hohe Vermögens- und Beitragsniveau sowie ein gut reguliertes privates Vorsorgesystem zurückzuführen ist. Dahinter folgen die Niederlande mit knapp über 80 Punkten vor Australien mit knapp 78 Punkten.

Rangliste Melbourne Mercer Global Pension Index 2016 (Bild: Mercer)
Rangliste Melbourne Mercer Global Pension Index 2016
Zum Vergrößern Bild klicken (Bild: Mercer)

Deutschland kommt trotz eines um satte drei Punkte verschlechterten Indexwerts von 59,0 Punkten unverändert auf den zwölften Rang. In einer ähnlichen Untersuchung der Allianz-Gruppe war Deutschland kürzlich ebenfalls nur im Mittelfeld gelandet.

Schwachpunkt Nachhaltigkeit

Die aktuelle Verschlechterung wird von Mercer insbesondere mit dem Rückgang der Nettoersatzrate, also der Nettorente im Verhältnis zum Lebenseinkommen, begründet. Hier bringen in der aktuellen Diskussion in Deutschland nicht nur Gewerkschaften und die Opposition, sondern vermehrt auch Politiker aus den Koalitionsfraktionen eine „Haltelinie“ ins Spiel.

Hinsichtlich der Angemessenheit reichte es für die Bundesrepublik in der Mercer-Untersuchung immerhin zu einem siebten Rang mit knapp acht Punkten Rückstand auf die hier an erster Stelle liegenden Niederlande. In Sachen Integrität landete Deutschland mit leicht überdurchschnittlichen 73,1 Punkten (Rückstand zur Spitze: über 18 Punkte) nur auf Position 16 und damit nicht in der oberen Hälfte der Rangliste.

Noch weiter hinkt das deutsche Rentensystem in Sachen Nachhaltigkeit den führenden Ländern hinterher. Hier kommt die Bundesrepublik mit 35,8 Punkten (ein Punkt weniger als im Vorjahr und rund zwei Punkte weniger als im Vorvorjahr) auf einen um fast 50 Punkte niedrigeren Sub-Index-Wert als Spitzenreiter Dänemark. Selbst der Durchschnittswert ist fast zehn Punkte entfernt – und nur acht Länder schneiden schlechter ab.

Mercer hält weitere Reformen für nötig

Vor diesem Hintergrund hält Mercer weiterhin umfassende Reformen für nötig, mit denen das deutsche Rentensystem den demografischen Herausforderungen besser gerecht wird und der finanzielle Druck gesenkt werden kann.

Als Maßnahmen führt das Beratungsunternehmen die Anhebung der Mindestrenten für Niedriglohn-Rentner, eine weitere Erhöhung der Erwerbsquote älterer Arbeitnehmer, eine Verbesserung der Kommunikation an die Leistungsempfänger sowie eine Erhöhung der Teilnahmequoten in der betrieblichen Altersversorgung an.

Genau an diesen Punkten hat die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD angesetzt und unter anderem die Flexi-Rente auf den Weg gebracht. Auch in Sachen bAV-Reform könnte der Referentenentwurf vom Bundeskabinett bereits in den nächsten Tagen in die Verbändeanhörung weitergereicht werden.

Für Udo Müller, Rentenexperte bei Mercer in Deutschland, wird die Bundesrepublik nicht „daran vorbeikommen, „das Renteneintrittsalter in gewisser Weise auch an die Lebenserwartung beziehungsweise deren Steigerung zu koppeln.“ Dafür sei es aber notwendig, dass die entsprechenden Voraussetzungen und Anreize geschaffen würden, „da eine bloße Erhöhung des Renteneintrittsalters einer versteckten Rentenkürzung gleich käme.“

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

zurück