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GKV – Kein Geld trotz Kostenersparnis

21.09.2017

Wenn es um neue Behandlungsmethoden geht, sind gesetzliche Krankenkassen selbst dann unbeweglich, wenn sie Geld sparen könnten. Das belegt ein vor dem Sozialgericht Berlin verhandelter Fall.

Gesetzliche Krankenkassen sind selbst dann nicht dazu verpflichtet, die Kosten für eine noch nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannte Behandlungsmethode zu übernehmen, wenn die Behandlung erfolgreich und deutlich preisgünstiger als herkömmliche Behandlungsmethoden war. Das hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 11. Juni 2017 entschieden (S 81 KR 719/17).

Im Zeitalter des Internets gibt es immer mehr Behandlungsmethoden, bei denen der direkte Kontakt zwischen Arzt und Patient durch einen online-basierten Austausch ersetzt wird. Diese Art der medizinischen Betreuung wird als „Telemedizin“ oder „Cybervisite“ bezeichnet.

Fehlbildung der Speiseröhre

In dem vom Berliner Sozialgericht entschiedenen Fall ging es um ein Kleinkind, das mit einer Fehlbildung der Speiseröhre zur Welt gekommen war. Es konnte nach mehreren komplizierten Operationen schließlich erfolgreich behandelt werden.

Im Rahmen der Behandlung musste das Kind über längere Zeit mithilfe einer Sonde ernährt werden. Auf die Umstellung zu einer normalen Nahrungsaufnahme reagierte es mit Würgereiz und Erbrechen. Die Mutter des Kindes entschloss sich daher dazu, ihren Sohn an einem von der Universität Graz entwickelten, telemedizinischen Sonden-Entwöhnungsprogramm teilnehmen zu lassen.

Im Rahmen dieses Programms erfolgte auf telemedizinischem Weg eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch ein Team von Ärzten und sonstigen Therapeuten. Das hatte den Vorteil, dass das Kind zuhause bleiben konnte. Die Betreuung wurde in Form von Videoanalysen, täglichen Cybervisiten und Beratungen per E-Mails durchgeführt.

Fehlende positive Bewertung

Doch obwohl diese Behandlungsmethode zum Erfolg führte und letztlich deutlich preisgünstiger war, als ein in derartigen Fällen üblicher stationärer Aufenthalt in einer Klinik, weigerte sich die Krankenkasse des Kindes, die Kosten der Behandlung in Höhe von etwas mehr als 4.300 Euro zu übernehmen.

Das begründete die Körperschaft damit, dass es an einer positiven Bewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses für die neuartige Behandlungsmethode fehle. Im Übrigen habe nichts dagegen gesprochen, das Kind in einem Krankenhaus von der Sonde entwöhnen lassen zu können.

Die Mutter des Kindes wollte die Entscheidung der Krankenkasse nicht akzeptieren. Sie zog daher vor Gericht. Dort trug sie vor, dass die telemedizinische Behandlung im häuslichen Umfeld die beste und auch kostengünstigste Lösung gewesen sei.

Im Übrigen hätte ein erneuter Klinikaufenthalt ihren Sohn sowohl psychisch erheblich belastet als auch einer großen Ansteckungsgefahr ausgesetzt. Die Kasse müsse daher die Kosten der neuartigen Therapie übernehmen.

Kein Teil des Leistungskatalogs

Doch dem wollten sich die Richter des Berliner Sozialgerichts nicht anschließen. Sie wiesen die Klage als unbegründet zurück.

Nach Ansicht der Richter besteht nicht allein schon dann ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine neuartige Behandlungsmethode durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV), wenn sie wie in dem entschiedenen Fall erfolgreich war und von einem Arzt befürwortet wurde. Entscheidend sei vielmehr, dass die Therapie Teil des Leistungskatalogs der Kasse sei.

In diesen könne eine Behandlungsmethode jedoch nur dann aufgenommen werden, wenn eine positive Bewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses vorliege. Daran fehle es in dem entschiedenen Fall.

Geld spielt keine Rolle

Zwar sei seit April dieses Jahres die Videosprechstunde im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung in eng begrenzten Fällen als ergänzende Behandlungsmethode zugelassen. Andere Formen der Telemedizin seien hingegen noch nicht anerkannt worden, darunter auch die, mit welcher das Kind behandelt wurde.

Darauf, dass die neue Behandlungsmethode deutlich preiswerter ist als ein stationärer Krankenhausaufenthalt, kommt es nach Meinung der Richter ebenso wenig an wie auf den Vorteil für das Kind, im häuslichen Umfeld behandelt worden zu sein. Denn mit einer stationären Sonden-Entwöhnung habe eine allgemein anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung gestanden.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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