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VVG-Kom­men­tar mit Blick auf das In­te­res­se der Ver­si­cher­ten

27.03.2017

Der Taschenkommentar von Dirk Looschelders und Petra Pohlmann nimmt einen eigenständigen Platz in der VVG-Literatur ein. Was das umfangreiche Werk bei Gesetzen, Urteilen und in den Sparten bietet, zeigt Makler Philip Wenzel.

Der „VVG Taschenkommentar“, herausgegeben von Professor Dr. Dirk Looschelders und Professorin Dr. Petra Pohlmann, ist in mittlerweile dritter Auflage erschienen. Er behandelt nicht nur das Versicherungs-Vertragsgesetz, sondern unter anderem auch die AVB verschiedener Versicherungszweige sowie im VVG unberücksichtigte Sparten, Neuerungen im VAG und Auswirkungen des LVRG. Vielfach wird darin die Perspektive des Versicherten eingenommen, was dem Kommentar eine besondere Position verschafft, schreibt Makler Philip Wenzel in einem Gastbeitrag.

Lesen bildet. Das bedingt zum einen der Umstand, dass dazu eine Verknüpfung verschiedener Areale notwendig ist, um die Zeichen aufzunehmen und zu dechiffrieren. Diese Bildung von Synapsen erhöht die allgemeine Leistungsfähigkeit des Hirns.

Philip Wenzel (Bild: Köhler)
Philip Wenzel (Bild: Köhler)

Selbstverständlich bildet zum anderen (in der Regel) auch der Inhalt. Und wer die richtigen Werke liest, kann sich zudem noch die Kosten eines teuren Rechtsstreits sparen.

Dies ist etwa bei einschlägigen Rechts-Kommentaren der Fall, wie beim in dritter Auflage vorliegenden Taschenkommentar zum VVG der Rechtswissenschaftler Professor Dr. Dirk Looschelders und Professorin Dr. Petra Pohlmann.

Für die Praxis nützliches Rechtswissen

In ihrem „VVG Taschenkommentar“ lernt der Leser leicht und für kleines Geld, dass im Leistungsfall eine Schweigepflicht-Entbindungserklärung notwendig ist, damit der Versicherer die Leistungs-Voraussetzungen und eine mögliche vorvertragliche Anzeigepflicht-Verletzung prüfen kann. Andernfalls wird die Leistung nicht fällig.

Das geschieht nach § 14 Absatz 1 VVG erst dann, wenn die zur Feststellung des Leistungsfalles notwendigen Erhebungen abgeschlossen sind. Dazu gehört nach § 213 VVG auch die Erhebung von persönlichen Gesundheitsdaten bei Dritten. Und wenn die Erhebungen nicht begonnen werden können, werden sie auch nicht beendet.

Hätten also der Anwalt oder der Versicherungsnehmer, Kläger in einem kürzlich vor dem Bundesgerichtshof entschiedenen Fall zur Berufsunfähigkeits- (BU-) Versicherung, Seite 1331, § 213, Rn. 16 VVG gelesen, so wäre viel Geld gespart worden. Der Versicherte hat nämlich seine Einwilligung in die Schweigepflicht-Entbindung im Leistungsfall verweigert und ist damit vor Gericht gescheitert (Urteil vom 22. Februar 2017, IV ZR 289/14).

Sechs thematische Abschnitte

Wer sich schon an Kleinigkeiten erfreuen kann, wird bereits in der Einleitung auf Seite 29 des Taschenkommentar mit dem schönen Wort „denklogisch“ belohnt. Aber auch sonst ist die Einleitung keine, wie öfters üblich, qualvoll zu lesende Aufzählung der verwendeten Quellen und nicht enden wollenden Absichtserklärungen.

Sie unterteilt sich übersichtlich in sechs Teile: die Einführung in das Privatversicherungs-Recht, Allgemeine Versicherungs-Bedingungen, Europäisches Versicherungs-Vertragsrecht, Versicherungs-Aufsichtsrecht, Versicherungs-Unternehmensrecht sowie das Bilanz- und Steuerrecht von Versicherungs-Unternehmen. Diese Aufteilung bewahrt den Leser schon einmal davor, sich aus Versehen in das Bilanz- und Steuerrecht zu stürzen.

Dem Leser wird zudem offenbart, dies ist wiederum in VVG-Kommentaren üblich, wie die später folgende Auslegung der Paragrafen und Urteile zu bewerten ist.

Ausführungen zu den AVB

Die Einleitung besteht aus grundsätzlichen Bemerkungen zu den oben genannten Bereichen, von denen der Teil zu den Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen wohl der spannendste und aufschlussreichste ist. Der vorliegende Kommentar beschreibt hier ausführlich die Möglichkeiten der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB.

Dabei liegt das Gewicht naturgemäß auf dem Schutz des Verbrauchers und der Überprüfung von überraschenden, mehrdeutigen oder intransparenten Klauseln zugunsten des Versicherungsnehmers (VN). Allerdings wird auch betont, dass die Auslegung des § 305c Absatz 2 BGB zur Mehrdeutigkeit nicht zu Spitzfindigkeiten einlädt (Einleitung B, Rn 49, Seite 37).

Aktuelle Urteile berücksichtigt

Auch wird klargestellt, dass das Produktinformations-Blatt nicht unter die Inhaltskontrolle falle. Wäre dies so, „wäre der VN gezwungen, dieses zu lesen“ (Einleitung B, Rn. 39, Seite 30). Das ginge anscheinend zu weit und gegen den Sinn der Inhaltskontrolle, der den Versicherungsnehmer, der keine Bedingungen oder diese nur oberflächlich liest, vor besonders heftiger Übervorteilung schützen soll.

Wer regelmäßig AVB liest, und das nicht nur oberflächlich, wird feststellen, dass ein paar Faktoren zusammenkommen müssen, um bei der Inhaltskontrolle als überraschend, mehrdeutig oder intransparent aufzufallen.

Der Hauptteil des Werkes ist der Kommentar zum VVG. Hier ist besonders die Aktualität der darin betrachteten Urteile und der verwendeten Sekundärliteratur hervorzuheben. Zusätzlich zu der Besprechung des neuen Versicherungs-Aufsichtsrechts (VAG) finden sich zahlreiche Hinweise auf das neue VAG in den Kommentierungen des VVG, am deutlichsten vielleicht unter dem § 163 VVG, (Seite 1076 bis 1095).

Noch offene Fragen zur AU-Klausel

Trotz der mittlerweile über zwei Dutzend Versicherer am Markt, deren Berufsunfähigkeits-Versicherung eine sogenannte Arbeitsunfähigkeits- (AU-) Klausel enthält, scheint diese Klausel in der Rechtsprechung noch keine Relevanz erlangt zu haben.

Interessant ist aber vor diesem Hintergrund die Klarstellung bei der Frage des fingierten Prognosezeitraums (§ 172, Rn. 28, Seite 1150). Dabei wird festgestellt, dass hier nur der Prognosezeitraum als erfüllt gilt. Alle sonst noch notwendigen Leistungsauslöser müssen nachgewiesen werden.

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der, der mehr als sechs Monate wegen einer Krankschreibung nicht arbeiten konnte, nicht automatisch berufsunfähig ist, wenn keine AU-Klausel vereinbart ist.

Die AU-Klausel mit allen möglichen Problemen in der Abgrenzung zum BU-Leistungsfall zu beurteilen, bleibt also zukünftigen Kommentaren vorbehalten.

Blick auf die Interessen der Versicherten

Komplettiert wird der Kommentar durch das Einführungsgesetz zum VVG, der VVG-InfoV und besonderen Versicherungssparten, die im VVG unberücksichtigt bleiben, wie die D&O oder auch exotische Versicherungen wie die Pferde-Lebensversicherung.

Bild: Wolters Kluwers
Bild: Wolters Kluwers

Zusammenfassend betrachtet, hat der VVG-Kommentar durch umfangreiche Quellenarbeit und eine in vielen Teilen sichtbare Hinwendung zum Interesse des Versicherten eine eigenständige Position am Markt zwischen den regelmäßig erscheinenden und wohl namentlich geläufigeren Kurzkommentaren zum VVG.

Der vorliegende Kommentar wendet sich an den interessierten Vermittler, der hier tiefere Erkenntnisse erlangen kann, und selbstverständlich an Versicherungsberater und Juristen, die die Kommentierungen in der täglichen Arbeit nutzen können. Besonders Letzteren wird die weite Verzweigung innerhalb des Werkes und die umfassende Quellenarbeit hilfreich sein.

Lesetipp

Professor Dr. Dirk Looschelders, Professorin. Dr. Petra Pohlmann (Hrsg.): „VVG Taschenkommentar“, 3. Auflage 2017, 2.004 Seiten, Carl Heymanns Verlag.

Der Kommentar ist auf dieser Internetseite im Wolters-Kluver-Shop als gebundene Druckausgabe (ISBN 978-3-452-28618-5) für 159,00 Euro bestellbar. Eine Online-Version mit unterschiedlichen Nutzungslaufzeiten ist unter diesem Link erhältlich.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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