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Pri­vate Un­fall­ver­si­che­rung: Ex­tre­mer Wett­be­werb

28.03.2017

Die Unfallversicherer stehen unter hohem Druck. Der Markt ist gesättigt. Sichere Kalkulation wird wichtiger. Trotzdem kann sich kaum ein Markteilnehmer dem Bedingungswettbewerb entziehen. Trends und Entwicklungen wurden auf einer Veranstaltung der Gothaer beleuchtet.

Der Wettbewerb in der privaten Unfallversicherung hat deutlich zugenommen. Der Trend zu mehr Leistungen hält an. Bei einer ganzen Reihe von Unternehmen hat sich daher die Schaden-Kosten-Quote in den letzten Jahren verschlechtert. Das ist das Fazit eines Workshops zur privaten Unfallversicherung, den die Gothaer Versicherung AG veranstaltete.

„Es gibt mehr Leistungen, aber die Prämien können wegen des scharfen Wettbewerbs nicht noch oben angepasst werden“, sagt Produktentwickler Borna Wakiel. Daher geht der Experte der Gothaer Versicherung AG davon aus, dass es in der nächsten Zeit - auch aufgrund der zunehmenden Preissensitivität der Kunden – immer stärkere Risikodifferenzierungen geben wird, wie bei manchen Wettbewerbern bereits zu beobachten sei.

Ähnlich wie in der Berufsunfähigkeits-Versicherung könnten Berufe bei der Prämiengestaltung eine größere Rolle spielen. Schon heute gebe es keine Quersubventionierung zwischen den Tarifgruppen mehr. In der Vergangenheit seien nämlich beispielsweise die Tarife für nicht körperlich Tätige etwas teurer gehalten worden, um Handwerker ein günstiges Angebot machen zu können.

Der harte Wettbewerb in der Unfallversicherung zeigt sich nach Einschätzung der Experten vor allem darin, dass der Verzicht auf einen Mitwirkungsanteil durch Vorerkrankungen immer höher werde. Einige Versicherer würden bereits im vollen Umfang auf einen Mitwirkungsabzug verzichten.

Wettbewerb über Mitwirkung gefährlich

Demgegenüber will die Gothaer in ihren Unfalltarifen weiterhin an einem Teilverzicht von 40 bis 50 Prozent festhalten. Tarife mit vollem Verzicht würden in hohem Umfang für krankheitsbedingte Invalidität leisten. Versicherer, die über den Mitwirkungsanteil Wettbewerb betreiben, müssten entweder eine deutlich schärfere Risikoprüfung einführen oder mit einer schlechteren Ertragslage rechnen.

Dabei verwiesen die Gothaer-Fachleute darauf, dass es mittlerweile einige Versicherer geben, die laut der von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-Aufsicht (Bafin) veröffentlichten Zahlen bei ihrer Schaden-Kosten-Quote im Minus stehen. Doch diese Daten können nur mit einer Backgroundanalyse richtig eingeordnet werden, wie eine Rückfrage des VersicherungsJournals bei den betroffenen Gesellschaften ergab.

Laut Bafin musste im vergangenen Jahr von den 23 umsatzstärksten Unfallversicherungs-Unternehmen rund die Hälfte eine Verschlechterung der Schaden-Kosten-Quote hinnehmen. Doch gerade für die Negativ-Spitzenreiter R+V Allgemeine Versicherung AG mit einer Schaden-Kosten-Quote von 127,4 Prozent, der Allianz Versicherungs-AG mit 111,9 Prozent und der Axa Versicherung AG mit 108,6 Prozent besteht eine Sondersituation.

Schaden-Kosten-Quoten der umsatzstärksten privaten Unfallversicherer 2015

Unternehmen

Bruttobeiträge in Mio. Euro

Verträge in Tausend

Schaden-Kosten-Quote* in %

Veränderung Schaden-Kosten-Quote in %-Punkten zu 2014

* Brutto-Aufwendungen für Versicherungsfälle und den Versicherungsbetrieb in % der verdienten Brutto-Beiträge; ** Anbieter mit hohem Anteil an Policen mit Beitragsrückgewähr; damit fällt die Quote zu hoch aus, da der technischen Zinsertrag nicht berücksichtigt wird. Laut R+V liegt beispielsweise die Quote ohne den Beitragsrückgewähr-Anteil bei 87,8 Prozent; Quelle: Statistik der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-Aufsicht – Erstversicherungs-Unternehmen und Pensionsfonds, Oktober 2016

Allianz

1.316,5

3.996

**111,9

9,7

Ergo

655,1

2.098

72,9

-6,0

R+V Allgemeine

396,6

1.428

**127,4

5,3

Debeka Allgemeine

291,6

1.925

64,4

-5,5

Signal Iduna Allgemeine

284,7

1.696

82,8

3,1

Aachenmünchener

246,9

2.501

80,2

-2,2

Generali

241,3

2.517

83

-8,4

Axa

217,6

683

**108,6

5,4

LVM

174,7

943

75,6

-11,0

Gothaer Allgemeine

135,5

688

91,3

3,3

Württembergische

131,1

712

79,5

-5,4

Bayer. Vers.-Verband (VKB)

123,7

909

74,5

-1,5

HDI Global

116,8

50

89,8

13,0

DEVK Allgemeine

100,6

907

89,8

1,9

Continentale

100,5

594

88,8

3,0

Nürnberger Allgemeine

100,3

508

83,1

5,4

Stuttgarter

94,8

445

92,7

7,5

Basler Sach

89,5

386

77,4

13,3

Westfälische Provinzial

75,2

845

76,7

-2,3

HDI Versicherung

74,2

492

93,1

-21,0

Provinzial Rheinland

70,8

2.478

69,8

-8,8

VGH

69,4

5.125

63,9

-13,2

SV Sparkassenversicherung

63,1

277

77,2

-4,5

Quote für UBR-Unfallversicherer verzerrt

„Die Schaden-Kosten-Quote berücksichtigt nicht den technischen Zinsertrag“, erläutert die Axa Versicherung. Das führt für Versicherer mit einem Bestand an Unfallversicherungen mit Beitragsrückgewähr zu einer Verzerrung der Schaden-Kosten-Quote. So kommt die R+V Allgemeine nach Bereinigung des Beitragsrückgewähr-Anteils auf eine Quote von nur noch 87,8 Prozent, so das Unternehmen auf Nachfrage des VersicherungsJournals.

Damit liegt das Unternehmen besser als die Gothaer, die für 2015 auf eine Quote von 91,3 Prozent kommt und sich gegenüber 2014 um 3,3 Prozentpunkte verschlechtert hat. Insgesamt zeigen die Zahlen der Aufsicht aber, dass die Schaden-Kosten-Quote reiner Risiko-Unfallversicherer zwischen 93,1 Prozent für die HDI Versicherung AG und rund 64 Prozent für die Debeka Allgemeine Versicherung AG und die Landschaftliche Brandkasse Hannover (VGH) schwankt.

Anders gesagt: Es gibt immer noch sehr profitable Unfallversicherer am Markt. Als Trend sieht die Gothaer neben der Verbesserung bekannter Leistungen, wie Progression oder Bergungskosten, auch den Einschluss neuer Inhalte. So werden zunehmend Krankheiten mitversichert, wie Krebs oder innere Blutungen.

Reha-Management im Trend

Gleichzeitig gibt es Systemlösungen, wie Hilfeleistungen und Pflegeleistungen sowie einen starken Trend zum Reha-Management. Die Leistungen am Markt sind aber sehr unterschiedlich. So zahlt etwa die Signal Iduna Allgemeine Versicherung AG schon bei einem vermutlichen Invaliditätsgrad von 20 Prozent bis zu 12.500 Euro für die Vermittlung und Kostenübernahme einer medizinischen oder beruflichen Reha.

Bei der Gothaer Versicherung AG sind es zwar bis zu 15.000 Euro, doch es muss ein bestimmter „schwerer Reha-Fall“ vorliegen. Demgegenüber leistet die Arag Allgemeine Versicherungs-AG sogar bis zu 30.000 Euro, wenn wahrscheinlich eine 25-prozentige Behinderung vorliegt.

Hohe Progression oder hohe Grundsumme?

Nicht immer ist nach Einschätzung des Versicherungs-Mathematikers Frank Rastbichler die Wahl eines Progressionstarifs die richtige Entscheidung für den Kunden. Sollen schon kleinere Unfälle abgesichert werden, sei es wichtiger, eine möglichst hohe Grundsumme zu wählen.

Will der Kunde im Falle von schweren Unfällen ausreichend abgesichert sein, biete sich wiederum die Wahl einer hohen Progression und einer geringeren Grundsumme an. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, sowohl eine sehr hohe Grundsumme als auch eine hohe Progression zu wählen.

„Dann wird der private Unfallversicherungs-Schutz aber schnell sehr teuer“, so Rastbichler. Der Kunde hat somit die Qual der Wahl. Der Experte bestätigte, dass rund 80 Prozent aller Unfälle lediglich zu Invaliditätsgraden von unter 20 Prozent führen.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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