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Insurtechs läuten das Aus von fes­ten Kun­den­mus­tern ein

07.12.2016

Faszination oder Erschrecken: Was bringt die digitalisierte Versicherungswelt? Wie sich die Assekuranz auf neue soziale Herausforderungen einzustellen hat, berichtet Dr. Moritz Finkelnburg in einem Gastbeitrag.

Anfang dieser Woche fand in einem Kreuzberger Hinterhof der vom Institut für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen organisierte „Future.Talk 6/2016“ statt. Gründer und Verantwortliche aus der Insurtech-Szene berichteten, wie digitales Datenmanagement und die zunehmende Vernetzung auf ein sich änderndes Kundenverhalten treffen. Wohin die Reise für die Branche geht, können die Insurtechs allerdings noch nicht beantworten, meint Dr. Moritz Finkelnburg in einem Gastbeitrag.

Die „Customer Journey“ des „Future.Talk 6/2016“ begann am vergangenen Montag nur wenige Schritte vom berüchtigten Neuköllner Hermannplatz entfernt – laut Berliner Tagesspiegel ein Ort, der wie kein anderer „zwiespältig und umstritten“ für den Strukturwandel in der Hauptstadt steht.

Moritz Finkelnburg (Bild: privat)
Moritz Finkelnburg
(Bild: privat)

Anlässlich der Tagung, die vom Institut für Versicherungswirtschaft (I.VW) der Universität St. Gallen veranstaltet wurde, fanden sich bereits frühmorgens zahlreiche illustre Gäste aus der Assekuranz im Hinterhof-Loft des Insurtechs Financefox ein.

Julian Teicke, Gründer der Financefox-Gruppe, begrüßte sie inmitten einer fast unüberschaubaren Schar junger Menschen, die sich an Holztischen zwischen vielen Pflanzen gegenübersaßen und teils konzentriert auf ihre Bildschirme schauten, teils mit ihren Kopfhörern in ein Kundengespräch vertieft waren.

Dazwischen standen immer wieder Lounge-Sessel, auf denen Finance-„Füchse“ offenbar in einer Telefonkonferenz steckten.

Neue Impulse durch Start-ups

Der „ernste“ Teil des Vormittags begann um 9.30 Uhr. Professor Dr. Peter Maas vom I.VW und Dr. Christoph Nützenadel, CEO der Synpulse Management Consulting, nahmen die Zuhörer mit auf eine Reise ins digitale Zeitalter.

Sie spannten den Bogen von der Notwendigkeit der „old economy“, dringend und sehr rasch Digitalisierung voranzutreiben, über deren Schwierigkeiten dabei bis hin zur Impulswirkung junger Start-ups wie Financefox.

Erfolg wird durch das Mitnehmen von Menschen bestimmt

Der anschließende Vortrag von Frank Engelhard, Vicepresident des Software-Hauses Salesforce.com, schilderte die fast unendlich scheinenden Möglichkeiten der Datenvernetzung. Getragen von der Erkenntnis, dass Daten zukünftig durch künstliche Intelligenz an jedem Ort und zu jeder Zeit verfügbar sind, schwankte der Zuhörer zwischen Faszination und Erschrecken.

Ob es der Kalender ist, der einen auf eine Verkehrssituation hinweist, ohne dass man das Reiseziel zuvor eingetragen hat, oder das Taxi, das bereits – ohne Reservierung – vor der Tür wartet: Unsere Daten verraten, was wir tun, uns wünschen oder wo wir waren. Die Gestaltungs-Möglichkeiten scheinen unbegrenzt – und nur wenig kontrollierbar.

Einig sind sich die Teilnehmer, dass der Schritt zur Digitalisierung für die „old economy“ nicht nur technisch anspruchsvoll sein wird, sondern auch eine soziale Herausforderung darstellt. Der Erfolg von Digitalisierung wird nicht durch Technik, sondern das Mitnehmen der Menschen bestimmt. „Change Management“ wird damit zum Schlüsselbegriff der nächsten Jahre.

Keine festen Kundenmuster mehr

Die am Nachmittag vom I.VW und dem Beratungshaus Synpulse vorgestellten Ergebnisse einer Studie zum Kundenverhalten im Kfz-Bereich zeigen die vielfältigen Entscheidungs-Möglichkeiten während der Customer Journey der Zukunft auf. Unterschiedliche Kundentypen treffen auf unterschiedliche Ansprache-Wege und Vertriebskanäle.

Die Festlegung des Kunden auf feste Muster scheint in Zukunft nahezu unmöglich – und die Versicherungsbranche muss sich hierzu erst noch aufstellen.

Der CEO des kroatischen Software-Start-ups Amodo, Marijan Mumdziev, führte im Anschluss eingängig und illustrativ durch die verschiedenen Möglichkeiten, die im Kfz-Bereich zur Datengewinnung und -analyse bestehen.

Wie geht es weiter?

Hausherr Julian Teicke beendete den facettenreichen Tag mit seinem Bericht über die Financefox-Gründung. Seine Darstellung klang beeindruckend, die Beschreibung der aktuellen Situation und Stimmung in der Insurtech-Szene trifft den Punkt.

Spannend bleibt aber auch bei ihm die Frage, wie es weitergeht. Das Spektrum reicht von weiterentwickelten Insurtechs als Makler oder auch Risikoträger bis hin zum Situativanbieter, der den Kunden automatisch in jeder Lebenssituation absichert.

Was bleibt? Ein faszinierender Blick in die Möglichkeiten, die eine vollständige Vernetzung unseres Alltags für die Entwicklung zukünftiger Versicherungslösungen und die gesamte Szene bietet. Aber auch ein wenig Unbehagen. Wie schön, dass der Gang durch das lebendige Financefox-Loft zurück zum quirligen Hermannplatz den Besucher wieder in das Hier und Jetzt zurückholt.

Dr. Moritz Finkelnburg

Der Autor ist Akademischer Direktor für den Bereich Versicherungen an der Goethe Business School. Die Spezialgebiete des Rechtswissenschaftlers sind Vertrieb, Kompositversicherung und Portfoliomanagement. Vor seiner Laufbahn im Wissenschaftsbetrieb hat Finkelnburg mehrere Jahre in Management- und Vorstandspositionen in der Versicherungswirtschaft gearbeitet.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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