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Die Crux mit der Ga­ran­tie

18.01.2017

„Vom risikolosen Zins zum zinslosen Risiko?“ Eine Expertenrunde befasste sich am Dienstag mit Garantiebedürfnis und Risikobewusstsein, der Rolle der Psyche und der Kehrseite von Garantien.

Dass Garantien (nicht nur) subjektiv etwas sehr Unterschiedliches bedeuten können, dass ihrem positiven Effekt ein Kostenfaktor gegenübersteht und dass die Emotion und das Bauchgefühl mit rationalen Überlegungen auch in Finanzfragen in Konflikt geraten können – das waren am Dienstag Themen bei einer Expertenrunde, zu der die österreichische Standard Life geladen hatte.

„Schönheit liegt im Auge des Betrachters“, sagt Professor Dr. Bernd Ankenbrand. Ganz ähnlich sei es mit Sicherheit und Risiko, meinte der Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg-Schweinfurt am Dienstagabend bei einer Veranstaltung der Standard Life Versicherung in Wien.

„Jeder nimmt Risiko anders wahr“ – und das auch auf irrationale Art und Weise. Ankenbrand verdeutlichte dies an Hand eines Ereignisses, das sich im kollektiven Bewusstsein verankert hat: des Anschlags auf das World Trade Center 2001.

Untersuchungen hatten gezeigt, berichtete der Hochschulprofessor, dass das Verkehrsaufkommen auf amerikanischen Highways in der Zeit vor 9/11 langsam zurückgegangen sei. Unmittelbar nach dem Anschlag sei es aber sprunghaft wieder angestiegen.

Die Angst vor dem Risiko, ebenfalls einer Flugzeugentführung zum Opfer zu fallen, habe die makabre Folge gehabt, dass sich das Verkehrsaufkommen erhöht habe und dadurch sogar noch mehr Unfalltote zu beklagen gewesen seien, als Menschen beim Anschlag auf die Twin Towers ums Leben gekommen waren.

Die individuelle Wahrnehmung

Selbst der Zeitpunkt der Geburt könne eine Rolle bei der Einschätzung von Risiken und dem Wunsch nach Garantien spielen. Wenn man wisse, welche prägenden Erfahrungen ein Mensch in seinen prägenden Jahren gemacht habe, so könne man daraus darauf schließen, welche Anlageentscheidungen er treffen wird.

Wer beispielsweise 1972 geboren sei, sei in einer Zeit aufgewachsen, in der er gute Erfahrungen mit der Aktienentwicklung habe machen können, während es sich mit fix verzinslichen Papieren anders herum verhalten habe. So jemand werde denn auch eher bereit sein, Risiko zu nehmen. Wer aber zum Beispiel 1945 geboren ist, habe andere Erfahrungen gemacht und werde sich entsprechend anders verhalten.

Um mit möglichen Konflikten zwischen dem Bauchgefühl und der „Ratio“, die es eigentlich besser weiß, umgehen zu können, sei es für den Berater deshalb wichtig, seinen Kunden zu kennen, also zu wissen, welche Erfahrungen dieser wann gemacht hat.

Da jeder Mensch seinen eigenen persönlichen Werdegang hat und nicht jeder im selben Alter seine prägenden Erfahrungen macht, seien hier Verallgemeinerungen schwierig. Das wahrgenommene Risiko sei eben für jeden etwas anderes.

Garantiekosten können enorm sein

Die Garantie, die eingezahlten Sparbeträge zurückzubekommen, werde freilich als etwas Positives empfunden, sagte Olaf Stotz, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management. Das Problem sei nur, dass „Garantien kein Preisschild haben“. Den Kunden sei demnach in der Regel nicht bewusst, was sie kosten.

Tatsächlich könne aber der „entgangene Gewinn“, der durch die Kosten einer Garantie eintrete, beträchtlich sein – womit sich die Frage stelle, inwieweit sich eine Garantie rechnet und ob 100-Prozent-Beitragszusagen überhaupt notwendig sind.

Stotz warf in diesem Zusammenhang einen Blick auf elf Indizes (MSCI World, MSCI Europe, MSCI Germany und acht weitere Länder-Indizes) und eine angenommene Veranlagung von monatlich 100 Euro über einen Zeitraum von 32 Jahren seit 1970, insgesamt also eine Beitragssumme von 38.400 Euro.

Lediglich im Fall des MSCI Japan, also einer Investition ausschließlich in japanische Titel, hätte die Garantie „gezogen“ werden müssen, wie die zitierte Studie zeige; und selbst bei dieser Veranlagung wäre das Minimum nahe bei den 38.400 Euro gelegen, so Stotz.

Auch über Nachteile von Garantien aufklären

Stotz‘ Fazit: Garantien sind teuer, weisen – zumindest aktuell – ein ungünstiges Preis-Leistungs-Verhältnis auf, ihr Eintritt ist unwahrscheinlich – und die Garantieleistung gering.

Seine Empfehlungen: Transparenz herstellen, nicht nur über Vor-, sondern auch über Nachteile von Garantien aufklären und individuell entscheiden, ob man Garantien haben möchte oder nicht.

Unterschiedliche Arten von Garantie

Den Versicherungs-Mathematiker und Geschäftsführer der österreichischen Arithmetica Versicherungs- und finanzmathematische Beratungs-GmbH Christoph Krischanitz stört in der Diskussion um Garantien, dass zu wenig differenziert werde, „welche Art von Garantie gemeint ist“.

Krischanitz ging zunächst auf die „biometrische Verzinsung“ ein: Gehe man zum Renteneintritt von einem angesparten Gesamtbetrag aus – unter der Annahme, dass über die Ansparzeit keine Verzinsung hinzukommt – und dividiere ihn durch die verbleibende Lebenserwartung, so sinke die Rente mit jedem Jahr, das der Rentner „überlebt“.

Der Grund: Während der Rentner altert, steigt auch die durchschnittliche Lebenserwartung weiter an, zum Beispiel aufgrund des medizinischen Fortschritts. Er altert also zwar um ein Jahr, die verbleibende Lebenserwartung sinkt aber gleichzeitig um etwas weniger als ein Jahr.

Wie Krischanitz sagt: „Die ‚biometrische Verzinsung‘ wird umso größer, je älter die Person ist.“ Die damit verbundene Rentenminderung nehme mit der Zeit schließlich ein Ausmaß an, das durch Kapitalmarkterträge schlicht nicht kompensiert werden könne.

Lösung Versicherungsprinzip

Eine lebenslange Garantie für eine solche „Basisrente“ abzubilden, sei im Prinzip eine von Zinsveränderungen auf dem Kapitalmarkt unabhängige Frage.

Die Lösung bestehe vielmehr im Versicherungsprinzip: „Eine lebenslange Rente kann nur im Kollektiv finanziert werden.“ Dieses schaffe den Ausgleich zwischen den unterschiedlichen biometrischen Verzinsungen seiner Mitglieder.

Und was wäre der Effekt bei verzinstem Kapital? Eine höhere Rente, allerdings – buchstäblich – um den Preis des Kapitalmarktrisikos. Denn eine lebenslange Garantie für eine solche, durch Zinsaufbau gebildete „Zusatzrente“ verursache im Gegenzug Kosten.

„Die Zinsgarantie plus die biometrische Verzinsung müssen erwirtschaftet werden“, fasst Krischanitz zusammen – und dies gehe eben nur mit Hilfe des Versicherungsprinzips, da der Todeszeitpunkt nicht bekannt sei.

„Sprich lieber über das Kundenbedürfnis!“

Krischanitz betonte, dass es in der klassischen Lebensversicherung nicht um Kapitalaufbau und Rendite gehe, sondern um „garantierte Cash-Flows“.

Daher solle man sich nicht auf das Schlagwort „Zins“ versteifen. „Sprich lieber über das Kundenbedürfnis!“, rät Krischanitz dazu, das eigentliche Ziel des Kunden – Rendite beziehungsweise Vermögensaufbau oder Absicherung – zu eruieren. Wenn ein Kunde nämlich Absicherung suche, werde ihm die Rendite im Allgemeinen weniger wichtig sein als die Garantie.

Nur: „Leider sind die öffentliche Darstellung und die Vergleiche der Finanzprodukte seitens Konsumentenschützern und auch Medien noch immer auf Renditen aufgebaut“, nicht jedoch am Primärnutzen, den das Produkt dem Kunden liefere, kritisiert Krischanitz.

Quelle: VersicherungsJournal Verlag GmbH

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